Das BayCEER-Kolloquium ist eine interdisziplinäre Plattform für Studierende, Wissenschaftler*innen und Interessierte: I.d.R. wöchentlich (in der Vorlesungszeit) werden Vorträge im Themenfeld Ökologie und Umweltwissenschaften gehalten, die anschließend im Plenum und in lockerer Atmosphäre während des Postkolloquiums diskutiert werden können. Gerne kann das Mittagessen mitgebracht werden (Brown Bag Lunch).

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Geoökologisches Kolloquium SS 2006

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Prof. Dr. Axel Bronstert
Lehrstuhl für Hydrologie und Klimatologie, Universität Potsdam
Donnerstag, 29.06.2006 16:15 H6

Landnutzung, Flussbau, Klima: Wie beeinflusst der Mensch die Hochwasser an unseren Flüssen?

Während der letzten Jahre wurde eine Vielzahl extremer Hochwasserereignisse verzeichnet, die fast alle Flussgebiete Deutschlands, wie den Rhein, 1993 und 1995, die Saale und die Bode, 1994, die Oder, 1997, die Donau, 1999 und 2002, 2006 und die Elbe, 2002 und 2006 betrafen. Auch international gab es eine Reihe extremer, teilweise katastrophaler Hochwasserereignisse, so etwa auf der iberischen Halbinsel, in der Slowakei, in Frankreich, in der Schweiz, am Mississippi, in Mittelamerika, in Bangla Desh, in China und in Venezuela. Die spektakulären Hochwasser an der Oder und an der Elbe haben die Hochwasserfrage auch bei uns in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rücken lassen. Neben der gestiegenen Anzahl von Hochwasserereignissen ist eine noch wesentlich dramatischere Steigerung der Hochwasserschäden zu beobachten.
Es gibt Hinweise, dass Änderungen der Landnutzung, Flussbaumaßnahmen oder die anthropogene Klimaänderung bedeutende Auswirkungen auf die Hochwassersituation an Flüssen haben. In der öffentlichen Diskussion werden dann oftmals die extremen Abflüsse oder die hohen Schäden auf diese Aktivitäten des Menschen zurückgeführt. Allerdings sind die Unsicherheiten, die mit einer Quantifizierung dieser Auswirkungen behaftet sind, immer noch sehr groß. Insbesondere gilt dies für die mit einer Klimaänderung verbundenen Niederschlagsänderungen in verschiedenen räumlichen und zeitlichen Maßstabsbereichen und für die Unterschiede in den Auswirkungen in verschiedenen Klimaregionen. Besonders wichtig - aber auch besonders unsicher - ist die Frage einer möglichen Änderung der Wetteranomalien und der damit verbundenen hydrologischen Extreme.

In diesem Vortrag werden neue Forschungsergebnisse vorgestellt und der aktuelle Kenntnisstand bezüglich der verschiedenartigen Einwirkungen des Menschen auf die Hochwassersituation zusammengefasst, die Auswirkungen mit der natürlichen Variabilität des Abflussgeschehens verglichen. In einem zweiten Schritt werden kurz moderne klimatologische und hydrologische Modellierungsmethoden vorgestellt und deren Anwendungsmöglichkeiten, -erfolge und ¶grenzen bzgl. der Quantifizierung von Abflussveränderungen diskutiert. Letztlich werden Beispiele zum Thema aus verschiedenen Flussgebieten in Europa gegeben: Lein (Kraichgau, Südwestdeutschland), Obere Selke (Harz), Mulde (Sachsen), Rhein, Pinios (Griechenland).

Aus den Forschungen, die in den letzten Jahren auch maßgeblich in Potsdam durchgeführt wurden, lassen sich folgende Ergebnisse ableiten:
Die Entstehung von Hochwasser in einem Einzugsgebiet und der Ablauf desselben in einem Flusssystem ist ein sehr komplexer und sowohl zeitlich als auch räumlich sehr variabler Vorgang. Charakteristische Änderungen von Hochwasserbedingungen lassen sich daher zumeist nur ungenau von einer \"natürlichen\" Variabilität trennen. Trotzdem gibt es eine Reihe von Hinweisen, dass der Mensch durch seine Eingriffe in die Natur Hochwasserbedingungen verändert hat (z.T. auch entschärft!). Generell müssen zumindest drei thematische Ebenen unterschieden werden:


1. Stärke, Dauer und Häufigkeit von Starkniederschlägen und gegebenenfalls Einfluss der Klimaänderung darauf.

Starkniederschläge treten (definitionsgemäß) selten auf. Insbesondere bei sehr starken Regenfällen (\"Extremniederschläge\") sind sie damit fast immer unerwartet und deren Auswirkungen stellen eine Bedrohung für die relativ unvorbereitete Bevölkerung dar. Dieses Verhalten der Bevölkerung ist ein schon langes bekanntes Phänomen und hat erst einmal nichts mit der Einwirkung des Menschen auf das Klimasystem zu tun. Daher haben Starkniederschläge auch früher schon immer wieder große Schäden verursacht. Trotzdem ist die Frage möglicher Änderungen des Auftretens von Starkniederschlägen in Verbindung mit Klimaänderungen von großem Interesse:
Die anthropogene Klimaerwärmung, hervorgerufen durch die Emission von Treibhausgasen, macht sich sowohl global als auch regional bereits heute bemerkbar und ist insbesondere durch eine Erhöhung der Temperatur der unteren Atmosphäre zu beobachten. Global beträgt dieser Wert über die letzten 40 Jahre etwa 0,7 °C, regional für Brandenburg etwa 1°C. Zudem ist teilweise eine geänderte Auftretenshäufigkeit bestimmter Wetterlagentypen festzustellen, was ebenfalls mit der Klimaänderung in Zusammenhang gebracht werden kann. Bezüglich der künftigen, vom Menschen beeinflussten Klimabedingungen Brandenburgs lässt sich vor allem die Zunahme der Temperatur als gesicherte Erkenntnis festhalten, wobei für die nächsten 50 Jahre mit einer Temperatursteigerung von mindestens 1,5 °C zu rechnen ist. Mit einer Zunahme der hydrologischen Variabilität (also sowohl mehr Hochwasser- als auch Trockenereignisse) wird gerechnet.
Bezüglich der Hochwasserereignisse ist für die großen Flüsse Brandenburgs (Oder und Elbe) insbesondere die beobachtete Zunahme der Wetterlagen \"Troglagen über Mitteleuropa\" in den Sommermonaten relevant. Eine gewisse, in den letzten Dekaden beobachtete Verschiebung des Niederschlags von den Sommer- zu den Wintermonaten (Abnahme im Sommer, Zunahme im Winter) widerspricht nicht der festgestellten Änderung der Wetterlagen, da eine Zunahme von Starkniederschlägen nicht zwangsläufig mit einer Erhöhung der Gesamtniederschlagssumme einher geht. Generell ist zu bedenken, dass die Hochwasser an den großen Flüssen Brandenburgs (Oder und Elbe) nicht in Brandenburg entstehen, und deswegen die für Hochwasserereignisse relevanten Klimabedingungen in den Oberläufen dieser Flüsse (Beskiden, Riesengebirge, Altvatergebirge; Böhmen, Erzgebirge, Thüringer Wald, ...) zu betrachten sind. Mit hoher Sicherheit kann bereits heute für diese Flussgebiete festgestellt werden, dass aufgrund steigender Temperaturen mit einem weiteren Rückgang der Auftretenshäufigkeit von Eishochwasserereignissen zu rechnen ist.


2. Entstehung von \"Überschusswasser\" im Einzugsgebiet, welches zur Hochwasserbildung beiträgt bzw. die Fähigkeit der Landschaft Teile eines starken Niederschlags speichern zu können.

Die Landoberfläche weiter Teile Mitteleuropas hat in der Vergangenheit bedeutende Eingriffe erfahren, die zweifellos einen Einfluss auf die Abflussbildung, insbesondere die Bildung von Oberflächenabfluss, in dieser Region haben. Folgende Fragen haben dabei grundlegende Bedeutung: 1) Wie stark ist der Einfluss von Landnutzungsänderungen auf die Bildung von Abfluss infolge Starkregenereignissen in mesoskaligen Gebieten; und 2) in welchem Maße kann die Hochwassersituation durch gezielte Rückhaltemaßnahmen in der Landschaft entschärft werden ? Der momentane Forschungsstand erlaubt dazu folgende Antworten:
Der Einfluss einer geänderten Landnutzung auf die Hochwasserentstehung - sei es Hochwasser verschärfend durch reduzierten Rückhalt auf der Landoberfläche und im Boden oder Hochwasser mindernd durch vermehrten Rückhalt - ist in Gebieten mittlerer Größe (ca. 100 bis 1000 km²) für konvektive Ereignisse mit hohen Niederschlagsintensitäten wesentlich größer (in der Abflussspitze bis zu ca. 20%) als für langanhaltende advektive Niederschlagsereignisse mit meist deutlich geringeren Niederschlagsintensitäten (0-5 %).
Konvektive Niederschlagsereignisse sind jedoch für die Hochwasserentstehung in den großen Flussgebieten Mitteleuropas aufgrund deren lokalen Charakters von vernachlässigbarer Bedeutung. Für advektive Starkniederschläge (geringe Intensitäten, große Überregnungsflächen und -dauern) ist die Landnutzung dagegen von geringer bis sogar vernachlässigbarer Relevanz, da diese Niederschlagstypen fast ausschließlich unterirdisch kontrollierte Abflussprozesse auslösen, die kaum durch die Bedingungen an der Landoberfläche beeinflusst werden. Da die Hochwasserereignisse an den großen Flüssen Mitteleuropas i.d.R. durch advektive Niederschläge hervorgerufen werden, sind für diese großen Einzugsgebiete Landnutzungsänderungen von untergeordneter Bedeutung.
Generell gilt: Je feuchter das Gebiet und je größer das Niederschlagsvolumen, desto geringer der Einfluss der Landoberfläche und desto geringer auch die Auswirkungen von Änderungen derselben.


3. Geschwindigkeit des Hochwasserablaufs im Fluss und mögliche Verlangsamung bzw. Zwischenspeicherung eines Teils des Hochwassers durch Ausuferungen des Flusses

Die Hochwasserablaufberechnungen in großen Flusssystemen (insb. dem Rhein) zeigen, dass durch die Überlagerungen von Wellen aus den verschiedenen Teileinzugsgebieten die maximalen Wirkungen des Wasserrückhaltes in der Landschaft (Vergrößerung/Verkleinerung der Abflüsse) regelmäßig im Wellenanstieg und deutlich vor den Scheiteln eintreten. Die Wirkung auf den Abfluss-Scheitel (welcher für die Überschwemmungsgefährdung entscheidend ist !) ist also deutlich geringer.
In Teilgebieten erzeugte Dämpfungen der Hochwasserscheitel sind in aller Regel auch in den Unterläufen großer Flüsse Lobith noch nachweisbar, allerdings nur in einer geringen bis sehr geringen Größenordnung. Diese Wirkungen des Wasserrückhalts in den Landschaften der Oberläufe belaufen sich beispielsweise für den Rhein am Unterlauf (z.B. niederländische Grenze) auf nur 1 cm bis 5 cm.

Die Nutzung großer Wasserrückhalteflächen direkt an den großen Flüssen (z.B. Havelpolder zum Rückhalt der Elbehochwasser) kann zu beträchtlichen Reduktionen der Hochwasserscheitel führen. Im Falle des Elbehochwassers waren dies z.B. fast 50 cm. Dabei ist aber unbedingt zu beachten, dass diese Rückhalteflächen: 1) in der Lage sein müssen, sehr große Wassermassen zu speichern; 2) i.d.R. nur bei einer gesteuerten Wasserrückhaltung eine effektive Reduktion des Wasserstandes erfolgt, und 3) in den betroffenen Rückhalteräumen durch die dortigen Überschwemmungen z.T. erhebliche Schäden entstehen können.

Literatur des Autors zum Thema:
Bronstert, A. (2005): Rainfall-runoff modelling for assessing impacts of climate and land use change, Chapter 132 in: MG Anderson & JJ McDonnell (Eds) Encyclopedia of Hydrological Sciences, John Wiley & Sons, 2033-2060.
Bronstert, A. (2003): Floods and climate change: Interactions and impacts. Risk Analysis, 23(3), 545-557
Niehoff, D., Fritsch, U., Bronstert, A. (2002): Land-use impacts on storm-runoff generation: Scenarios of land-use change and simulation of hydrological response in a meso-scale catchment in SW-Germany. Journal of Hydrology, 267(1-2), 80-93.
Niehoff, D., Bronstert, A. (2002): Landnutzung und Hochwasserentstehung: Modellierung anhand dreier mesoskaliger Einzugsgebiete, Wasser und Boden, 54(10), 20-28
Katzenmaier, D., Fritsch, U., Bronstert, A. (2001): Quantifizierung des Einflusses von Landnutzung und dezentraler Versickerung auf die Hochwasserentstehung. Kapitel 18 in: Heiden, S., Erb, R., Sieker, F. (Hrsg.) \"Hochwasserschutz heute - Nachhaltiges Management\". Erich Schmidt Verlag, Berlin, 327-357
Bronstert, A., Fritsch, U., Leonhardt, H., Niehoff D. (2001): Quantifizierung des Einflusses von Landnutzungs- und Klimaänderungen auf die Hochwasserentstehung am Beispiel ausgewählter Flussgebiete. Hydrologie und Wasserbewirtschaftung, 45(5), 213-216


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