Department of Animal Ecology
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Exercise course: Grundlagen der Populationsdynamik (mit Übungen am Computer) (02132)

WS 2003/2004
2003-10-20-2004-02-13 (several days), nach Vereinbarung, BITÖK

Bernhard Stadler

Populationsökologie


Gegenstand der Vorlesung/Übung:

... all models are wrong, some are useful W. E. Deming (1986)

Analytische Modelle sind in der Ökologie ein Werkzeug, um das Ergebnis und die möglichen Mechanismen in biologischen Interaktionen zu untersuchen. Ein klassisches Dilemma für analytische Populationsmodelle ist die Wahl zwischen einfachen strategischen Ansätzen, die allgemein gehalten sind, aber sehr schwer mir realen Systemen zu überprüfen sind und komplexen Modellen, die für spezifische Situationen angepaßt sind und dadurch an Allgemeingültigkeit verlieren. In dieser Vorlesung und Übung geht es um einfache, konzeptionelle Modelle und um ein Verständnis der funktionellen Beziehungen zwischen interagierenden Populationen.

Die "Kunst" des Modellierens wird also sein 1) zu abstrahieren und sich auf die (vermeindlich) wichtigen Komponenten eines realen Systems zu konzentrieren und 2) zu interpretieren, also Modellkomponenten und Modellverhalten einem wirklichen System zuzuordnen. Mit diesem Verständnis können Modelle dazu beitragen um z.B. existierendes Wissen zu ordnen, Muster zu finden, Vorstellungen über die Bedeutung von Parameter zu konkretisieren (Gedankenexperimente), neue überprüfbare Hypothesen zu erzeugen, oder Prozesse zu studieren, die auf sehr großen räumlichen und zeitlichen Skalen ablaufen.

Wir beschäftigen uns mit den Annahmen und dem Verhalten von einfachen Populationsmodellen (und ihren Varianten), die in ihrer Bedeutung bis heute nichts verloren haben (z.B. exponentielles Wachstum, logistisches Wachstum, Dynamik von Wirt-Parasitoid-Systemen (Thompson-Modell, Nicholson-Bailey Modell, Hassell-Varley-Modell), Räuber-Beute-Beziehungen (Lotka-Volterra-Modelle), Chaos etc.).

Zur praktischen Durchführung benutzen wir vorbereitete Modelle, die mit der Software Stella® (High Performance Systems) erstellt wurden, und keine Programmierkenntnisse erforderlich machen. Die Modelle sind flexible genug, um sie in verschiedene Richtungen selbst verändern zu können. Die Programmsymbole können schnell erlernt werden, und sollten eine schnellere Einsicht in die Struktur und Dynamik eines Modells ermöglichen, als dies oftmals aus den Formeln ersichtbar wird.

Populationsmodelle, die im Kurs besprochen werden: (Formeln.pdf) (Modellannahmen)

Kurs

Beschreibung

Modell

°

Einfache Wachstumsmodelle (Exponentielles Wachstum, dichteabhängiges r, logistisches Wachstum, logistisches Wachstum mit Zeitverzögerung, Zeitverzögerung und saisonal schwankendes K

Exponential growth

°

Deterministisches Chaos (3 mögliche Formeln)

Chaos

°

Thomson Grundmodell ohne Kapazitätsgrenzen

Thompson

°

Thompson-Modell mit Kapazitätsgrenze des Wirtes

Thompson2

°

Nicholson-Bailey Grundmodell

N&B1

°

Nicholson-Bailey Modell mit dichteabhängigen Beutewachstum

N&B2

°

Nicholson-Bailey mit funktionellen Reaktionen (TypI-III)

N&B3 Holling

°

Non-random search (May1978)

Non-rand

°

Interferenz-Modell (Hassell & Varley 1969)

Interferenz

°

Beddington-Interferenzmodell

Beddington

°

Konkurrierende Räuber (May & Hassell 1981)

Konk Räuber

°

Wirt-Parasitoid-Hyperparasitoid-Systeme

3-troph

°

Lotka-Volterra Räuber-Beute Grundmodell

LotkaVolterra1

°

Lotka-Volterra Räuber-Beutemodell mit logistischem Wachstum

LotkaVolterra2

°

Lotka-Volterra Räuber-Beutemodell mit funktioneller Reaktion (Typ II)

LotkaVolterra3

°

Lotka-Volterra Konkurrenz um Ressourcen

Competition

Die Modelle wurden mit der Software Stella® (High Performance Systems) erstellt.
Eine runtime-Version kann von hier bezogen werden. Die Modelle können von mir zur Verfügung gestellt werden.

Exponential growth - Modelle

Exponentielles Populationswachstum kommt zwar vermutlich nur während kurzer Phasen, vor in denen die Ressourcen unbegrenzt sind, allerdings scheinen trotzdem Gesetzmäßigkeiten vorzuliegen, die es sinnvoll erscheinen lassen sich mit diesen einfachen "Ein-Art-Modellen" zu beschäftigen.
P. Turchin (2001) erhebt das exponentielle Wachstum sogar zu einem Gesetz der Populationsdynamik.

In der Anfangsphase zeigen alle diese Modelle einen exponentiellen Anstieg. Durch die Einführung einer Kapazitätsgrenze (entspricht Ressourcenlimitierung) wächst die Population mit zunehmend langsameren Raten, bis die Kapazitätsgrenze asymptotisch erreicht wird.

Zeitverzögerungseffekte wirken sich im kontinuierlichen logistischen Modell "destabilisierend" aus, d.h. die Populationen beginnen um den K-Wert zu schwanken. Zeitverzögerungseffekte kommen z.B. dadurch zustande, daß Entwicklungsprozesse der Individuen sich auf die Populationsdichteregulation auswirken. Die aktuelle Populationsdichte zum Zeitpunkt t (N t) hängt also von einer bestimmten Dichte zum Zeitpunkt t-tau (Nt-tau) ab. Das Verhalten der Wachstumskurven wird damit im wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt:

1) von der Länge der Zeitverzögerung
2) von der Reaktionszeit, die invers proportional zu r ist. (Populationen mit hohen Wachstumsraten (r) haben kurze Reaktionszeiten (1/r ). Damit bestimmt das Verhältnis der Zeitverzögerung zur Reaktionszeit das Verhalten dieser Populationen.

Obwohl die Logistische Gleichung oft wegen ihrer zu großen Vereinfachung kritisiert wird, ist sie nach wie vor von zentraler Bedeutung für Ein-Art-Populationsmodelle.
Zahlreiche weitere Modifikationen können mit den Modellen vorgenommen werden (z.B. Zeitverzögerungseffekte).

Turchin P. (2001) Does population ecology have general laws? Oikos 94: 17-26.

Chaos in Ein-Arten Populationsmodellen

Zeitverzögerungseffekte treten auch in den diskreten Versionen der logistischen Gleichung auf. Diskrete Populationsmodelle haben eine "eingebaute Zeitverzögerung" von 1.0. Damit hängt das Verhalten des Populationswachstums nur noch von der Wachstumsrate r ab. In Abhängigkeit von der Größe des Wertes r kann sich eine Population entweder langsam der Kapazitätsgrenze nähern, gedämpfte Oszillationen oder stabile Grenzzyklen eingehen, oder in komplexe, sich nicht wiederholende chaotische Muster umspringen.

Einfache mathematische Modelle können also sehr komplexe Verhaltensweisen erzeugen. Das interessante am Chaos ist das augenscheinlich völlig zufällige fluktuieren der Populationsgrößen. Diese werden von einem Modell erzeugt, das offenbar völlig deterministisch ist. In der Tat kann der Verlauf einer chaotischen Population so komplex sein, daß er beispielsweise nicht von einer stochastischen Populationsgrößenfluktuation unterschieden werden könnte. Wie häufig chaotische Populationsfluktuationen in der Natur sind ist unklar.

Populationsbiologen waren mit die ersten, die erkannten, daß einfache, diskrete Gleichungen sehr komplexe Muster erzeugen können.


Literatur:
May R. (1974) Biological Populations with nonoverlapping generations: stable points, stable cycles, and chaos. Science 186: 645-647.
May R. (1976) Simple mathematical models with very complicated dynamics. Nature 261: 459-467.

Thompson Modelle

William Thompson (1887-1972) war im Bereich der biologischen Schädlingsbekämpfung tätig und betrachtete zunächst mathematische Modelle zur Erzeugung neuer Hypothesen als durchaus nützlich. Um 1920 entwickelte er einfache mathematische Funktionen, um die Beziehung zwischen Wirten und Parasiten zu beschreiben.

Sein Ausgangspunkt war einen Beziehungszusammenhang zwischen der Anzahl an Wirten in jeder Generation und den verschiedenen Faktoren, die die Populationswachstumsraten von Wirten und Parasiten bestimmen, zu finden (z.B. Vermehrungsraten von Wirten und Parasitoiden, Anzahl an Eier, die von einem Parasiten in einen Wirt gelegt werden). Die enge mathematische Kopplung von Wirten und Parasitoiden führte allerdings dazu, daß die Parasitenpopulation sehr schnell an Größe zunahm und regelmäßig die Wirte zum aussterben brachte. Obwohl also die Voraussagen der Modelle von Thompson kaum der Wirklichkeit entsprachen, markierten sie doch den Beginn einer stärker auf Theorien basierenden mathematischen Ökologie.
Interessanterweise wurde Thompson gegen Ende der 30iger Jahre zu einem der stärksten Kritiker einer mathematisch orientierten Denkweise in der Ökologie, also entgegen den Trend, dem er selbst den Weg ebnete. Er fürchtete, daß durch die ungenaue Abbildung der biologischen Einzelheiten kein wirklicher Nutzen für die praktischen Probleme, z.B. in der biologischen Schädlingsbekämpfung abfiel.

Literatur:
Kingsland S.E. (1995) Modeling nature. University of Chicago Press, USA

Nicholson-Bailey-Modelle

Der Australier Alexander John Nicholson (1895-1969) gilt als der wichtigste Vertreter der Ansicht, daß dichteabhängige, biotische Faktoren die wichtigsten Triebkräfte für die Bestimmung der Populationsgröße seien. Er unterstellte, daß die Wirtssuche der Parasiten dem Zufallsprinzip folgt, und daß die Parasitoide nicht durch ihren Eivorrat begrenzt sind. Vielmehr ist ihre Fähigkeit Wirte zu finden der begrenzende Faktor.

Zwei Annahmen sind wichtig:

1) Die Rate der Wirtsfindung durch Parasitoide ist proportional zur Wirtsdichte (sie folgt einem Poissonprozeß=zufällige Suche nach Wirten).

2) Das durchschnittliche Areal, das ein Parasitoid absuchen kann, ist ein charakteristisches Merkmal einer Art und sie ist konstant. Diese Fläche wird als „area of discovery“ (a) bezeichnet. Man kann a auch als ein Maß für die Sucheffizienz eines Parasitoiden betrachten.

Nicholson war also der erste, der das Konzept der Suche in die theoretische Ökologie einführte. Das Modell von Nicholson und Bailey (1935) ist im Prinzip nur eine einfache Erweiterung des Thompson-Modells, indem die area of discovery (a) die Beziehung zwischen der Eizahl (c ) und der Wirtsdichte (N) wiedergibt (a=c/N).


Das Nicholson-Bailey Modell ist ein Grundmodell, das in vielen Richtungen erweitert wurde.

Nicholson & Bailey mit funktionellen Reaktionen

Holling (1959) untersuchte v.a. Kleinsäuger und ihr Beutesuchverhalten z.B. gegenüber Blattwespen. Er fand, daß die Prädationsraten mit zunehmender Beutedichte anstiegen. Dies beruhte auf zwei Effekten:

1) jeder Prädator erhöhte bei einer höheren Beutedichte seine Freßrate

2) die Räuberdichte stieg mit zunehmender Beutedichte

Holling betrachtete dies als zwei unterschiedliche Effekte der Räuberpopulation gegenüber der Beute. Die Erhöhung der Komsumptionsrate bezeichnete er als funktionelle Reaktion, die Steigerung der Räuberdichte als numerische Reaktion.

Ein Prädator muß nach dieser Vorstellung eine gewisse Zeit aufwenden, um nach Beute zu suchen ( Ts), zu jagen, zu töten und zu fressen ( Th). Die Handhabungszeit ist der limitierende Faktor in diesen Modell, da selbst dann, wenn die Beutedichte so hoch ist, daß Ts=0, immer noch Zeit für Th aufgewendet werden muß. Die Fläche, die abgesucht wird, ist die „area of discovery“; man kann darunter aber auch die Suchrate verstehen.

Holling schlug drei Typen von funktionellen Reaktionen vor:

Typ I: Hier steigt die funktionelle Reaktion linear mit der Beutedichte an (die Steigung der Geraden entspricht der Sucheffizienz). Bei hohen Beutedichten wird abrupt ein Plateau erreicht, d.h. die maximale Angriffsrate bleibt bei weiter steigenden Beutedichten konstant. Typ I Funktionen zeigen sich bei passiven Prädatoren, z.B. Spinnen. Die Anzahl Insekten, die im Netz gefangener werden können, steigt proportional mit der Insektendichte, bis zu einem Grenzwert, der durch die Größe des Netzes bestimmt sein könnte. Folglich ist die Beutemortalität aufgrund von Prädation konstant.

Typ II: Hier steigt die funktionelle Reaktion zunächst schnell an und erreicht dann aber bei weiter steigender Beutedichte ein Plateau. Räuber verursachen also eine hohe Mortalität bei niedrigen Beutepopulationsdichten, aber bei hohen Beutepopulationsdichten ist die Mortalität durch Räuber eine nahezu vernachlässigbare Größe. Folglich geht die Beutemortalität mit zunehmender Beutedichte zurück.

Typ III: Diese Form der funktionellen Reaktion tritt bei Prädatoren auf, die ihre Suchaktivität mit zunehmender Beutedichte erhöhen. Zum Beispiel können viele Prädatoren auf Kairomone reagieren und ihre Aktivität erhöhen. Vögel können durch lernen ihr visuelles Suchverhalten auf die häufigste Beute umstellen und so die Beutepopulation stärker beeinflussen. Die Mortalität der Beute steigt hier zunächst mit zunehmender Beutedichte an, geht dann aber wieder zurück.

Das Nicholson-Bailey-Modell kann z.B. mit diesen funktionellen Reaktionstermen erweitert werden.

Lotka-Volterra-Modelle

Lotka-Volterra Modelle gehören zu den „Klassikern“ in der Populationsökologie. Das Räuber-Beute Modell folgt in seinem Verständnis dabei eher chemischen Umsetzungsreaktionen in denen die Umsetzungsraten proportional zur Konzentrationen der Moleküle sind. Auf Tiere übertragen bedeutet dies: wenn sich Räuber und Beute zufällig im Raum bewegen, dann wird ihre Begegnungsrate proportional zum Produkt ihrer Abundanzen (Biomassen) sein.

Wichtige Annahmen waren ferner:
·
Das Wachstum der Beutepopulation wird nur von den Räubern limitiert.
· Der Räuber ist ein Spezialist, der nur von einer Beuteart lebt.
· Einzelne Räuber können eine unbegrenzte Zahl an Beute konsumieren und jeder Räuber
kann seinen Beutekonsum mit zunehmender Beutedichte steigern (z.B. Typ I funktionelle
Reaktion).
· Einzelne Räuber begegnen sich zufällig in einer homogenen Umwelt.

Diese Annahmen sind natürlich ziemlich unrealistisch und führten schließlich in die Sackgasse. Vor allem die Anwendung von Prinzipien, wie sie für chemische Reaktionen gültig sind (weg von „logistischen Sichtweisen“), scheinen dafür verantwortlich gewesen zu sein.

Einige Modifikationen des Räuber-Beute Grundmodells werden aber vorgestellt.


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