Fröhlich, G: Umsetzung verschiedener didaktischer Theorien im außerschulischen Unterricht: Potentiale und Grenzen des wiederentdeckten Lernorts Bauernhof, (2012) | |
Abstract: Die Entfremdung von Lebensmittelproduktion und landwirtschaftlicher Praxis sowie das Unwissen über enge Verflechtungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft der heranwachsenden Generation (Ernst & Theimer, 2011; Hubert, Frank, & Igo, 2000; Tal, 2008) sind ein allgemeines gesellschaftliches Problem, dem man mit Bildung begegnen kann und sollte (Harms, King, & Francis, 2009). Um diese Themen, im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, zu vermitteln und so innerhalb der Gesellschaft zu festigen, scheint sich am besten situationsbezogenes und kontext-orientiertes Lernen am außerschulischen Lernort Bauernhof zu eignen (Knobloch, Ball, & Allen, 2007). Kontext-orientiertes Lernen ermöglicht den Schülerinnen und Schülern1 das in der Schule Gelernte auf den Alltag zu übertragen und so effektiver zu lernen (Bennett, Lubben, & Hogarth, 2007). Das in dieser Studie entwickelte agrarische Umweltbildungsprojekt unterscheidet sich bewusst von bestehenden, zum Teil mehrtägigen und erlebnisorientierten Projekten, indem es den Schulpraxisrelevanz für sich beansprucht: Es werden auf Ansprüche und Anforderungen des Lehrplans (fachliche Inhalte, Kompetenzvermittlung, kurze Projektdauer), der Lehrer (einfache Organisation und Durchführbarkeit) und der Schüler (schülerzentrierte und kooperative Lernmethode) Rücksicht genommen und bestmöglich umgesetzt. Die Zielsetzungen der Promotionsstudie waren zum einen genauere Untersuchungen zur Naturverbundenheit von Kindern (Teilarbeit A), die Erziehung zu umwelt-freundlicherem Konsumverhalten (Teilarbeit B) und eine erfolgreiche kognitive Wissensvermittlung durch das entwickelte Projekt (Teilarbeit C). Darüber hinaus wurden noch Schülervorstellungen zur landwirtschaftlichen Praxis am Anfang und Ende der Sekundarstufe I erhoben (Teilarbeit D), um die Wahrnehmung von Landwirtschaft bei Kindern und Jugendlichen in einer modernen Industriegesellschaft besser beurteilen zu können. Diese Vorstellungen sind als Basis zur Erarbeitung effizienter Bildungsmaßnahmen in diesem Bereich erforderlich. Teilarbeit A zeigt sowohl einen negativen Zusammenhang zwischen dem Alter (untersucht wurde der Zeitraum vor dem Einsetzen der Pubertät (9 – 13 Jahre)) als auch einen positiven Zusammenhang zwischen den kognitiven Fähigkeiten (Indikatorvariable: Schulform) und dem Grad der Naturverbundenheit. Frühere Studien (Davis, 2011; Schultz, 2002) zeigten einen engen Zusammenhang zwischen Naturverbundenheit und umweltfreundlichem Verhalten. Dennoch hat sich in Teilarbeit B herausgestellt, dass Naturverbundenheit bei den Bildungsprojekt-Teilnehmern (Durchschnittsalter: 11,5 Jahre) keinen wichtigen Beitrag zur Intention für umweltfreundlicheres Konsumverhalten leistete, ebenso wenig wie das neu hinzugewonnene Wissen. Signifikant hingegen waren die Korrelationen mit situationsbedingten Lernemotionen, die direkt im Anschluss an die Unterrichtseinheit gemessen wurden. Jedoch war das Konsumverhalten nach sieben Wochen wieder auf dem vor der Intervention gemessenem Ausgangsniveau. Wissensvermittlung, die Hauptintention der meisten Bildungsprojekte, erwies sich in Teilstudie C für die teilnehmenden Schüler insgesamt, unabhängig vom Lernort (Klassenzimmer vs. Bauernhof), als erfolgreich. Schlüsselt man die einzelnen Wissensbereiche weiter auf, so ergab sich ein signifikanter mittelfristiger Lernzuwachs bei Mädchen zum Thema Ernährung, und ein signifikanter kurz- und mittelfristiger Lernzuwachs für das Themengebiet Landwirtschaft bei beiden Geschlechtern. Schließlich wurde in Teilstudie D Schülervorstellungen zu den Aufgaben eines Landwirts erhoben. Hierzu wurden Schüler am Anfang der Sekundarstufe I (5./6. Jahrgangsstufe) und am Ende (10. Jahrgangsstufe) befragt. Es ergaben sich bei der induktiven Kategorienbildung der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2007) kaum Unterschiede zwischen den Altersgruppen, jedoch lag der Schwerpunkt der Arbeitsaufgaben für die jüngeren Schüler bei den Tieren und für die Älteren bei den Pflanzen. Lediglich ein geringer Anteil der Zehntklässer nannte ökologische Aufgabenbereiche, bei den Jüngeren fehlt dieser Aspekt völlig. Generell zeigten sich sehr stereotype und einfache Vorstellungen bei den teilnehmenden Schülern. Kurze, schülerzentrierte Bildungsmaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft und Ernährung können kurz- und mittelfristig Wissen vermitteln, Anregungen für umweltfreundlichere Verhaltensweisen schaffen und positive Lernemotionen stärken, die sich jedoch stark auf das Ankreuzverhalten der Schüler auswirken können. Zusammenfassend kann man sagen, dass das entwickelte Bildungsprojekt gut geeignet ist, Grundlagen der agrarischen Umweltbildung schülergerecht zu vermitteln. Die Inhalte des Projekts sollten wiederholt in der Schullaufbahn aufgegriffen und altersgerecht vertieft werden, um den Schülern agricultural literacy2 (Frick et al., 1991) und damit ein realeres Bild über die moderne landwirtschaftliche Praxis zu vermitteln. |