Scharfenberg, F-J: Experimenteller Biologieunterricht zu Aspekten der Gentechnik im Lernort Labor: empirische Untersuchung zu Akzeptanz, Wissenserwerb und Interesse (am Beispiel des Demonstrationslabors Bio-Gentechnik der Universität Bayreuth mit Schülern aus dem Biologie-Leistungskurs des Gymnasiums), (2005) | |
Abstract: Basierend auf Überlegungen im Rahmen der entwicklungsorientierten Evaluationsforschung wurde für den außerschulischen Lernort Labor ein Experimentalunterricht zu zentralen Aspekten der Gentechnik mit vier Schülerexperimenten entwickelt und im Rahmen von Projekttagen eingesetzt: - Bakterien-Transformation mit einem rekombinierten, GFP-codierenden Plasmid, - Isolierung der Plasmid-DNA aus den transformierten Bakterien, - Charakterisierung der Plasmid-DNA mit ausgewählten Restriktionsenzymen, - Visualisierung der DNA-Proben über eine Agarose-Gelelektrophorese. Die Experimente zeigten ein hohes Maß an Authentizität und waren mit einer Reflektionsphase zu ethischen Aspekten der Gentherapie verknüpft. In einem Kontrollgruppen-Design wurden die Wirkungen der unabhängigen Variablen Lernort und selbsttätiges Experimentieren auf die Konstrukte Akzeptanz, Wissenserwerb und Interesse an gentechnischen Fragestellungen überprüft. Mögliche Testeffekte wurden über eine externe Kontroll-Gruppe ohne Intervention kontrolliert. An der Studie waren insgesamt 363 Gymnasiasten (12. Jgst.) aus 29 Biologie-Leistungskursen beteiligt. Als Erhebungsinstrument wurde ein informeller Test entwickelt und über eine Voruntersuchung an 172 Schülern (12 Kurse) optimiert. Das Erhebungsinstrument wurde in einem Prä-Posttest-Design mit Follow-up-Test eingesetzt. Aus den Testdaten wurden Kennwerte zur Akzeptanz, dem Wissenserwerb und dem Interesse berechnet und nach der quantitativen Testtheorie bzw. in Bezug auf den Wissenserwerb zusätzlich über die latente Klassenanalyse im Hinblick auf Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen ausgewertet. Die beiden unabhängigen Variablen zeigten folgende Einflüsse auf die drei erfassten Konstrukte: Die aktuelle und die rückblickende Akzeptanz des Experimentalunterrichts im Lernort Labor waren insgesamt sowie auf der Ebene der beiden identifizierten Faktoren „Affektive Bewertung“ und „Bewertung des instrumentellen Handelns“ signifikant höher als die eines vergleichbaren nicht experimentellen Unterrichts, unabhängig von dessen Lernort. Inhaltlich gründete sich diese Akzeptanz primär auf die durchgeführten Experimente, während in den nicht experimentellen Gruppen fachliche, methodische und lehrerbezogene Aspekte entscheidend waren. In der Laborsituation, unabhängig vom Experimentieren, zeigten insbesondere schlechtere Schüler eine höhere Akzeptanz. Die latente Klassenanalyse differenzierte den Subtest Wissenserwerb inhaltlich in „Vorwissen-Items“ und „projektbezogene“, d.h. auf neue Lerninhalte bezogene Items und die Probanden in entsprechend unterschiedliche Lerner-Typen. Die Schüler aller Unterrichtsgruppen erwarben insgesamt und projektbezogen Wissen, vorwissenbezogen jedoch nur im Lernort Labor. Ein Teil des Wissens blieb persistent erhalten, ein anderer Teil wurde wieder vergessen. Die Förderung des Wissenserwerbs im Lernort Labor verdeutlichten zusätzlich ein signifikant höherer Lerner-Anteil gegenüber dem Lernort Schule und das Fehlen bzw. nur teilweise Vorhandensein von positiven Korrelationen von Lernleistungen im Test mit vorherigen schulischen Leistungen. Der aktuelle Lernerfolg war in der Experimentalsituation insgesamt sowie in der nicht experimentellen Laborsituation vorwissenbezogen signifikant höher als in der Schulsituation. Die besondere Bedeutung des vorhandenen Vorwissens für die Experimental-Gruppe wurde durch deren signifikant höheren Anteil an Projektwissen-Lernern und die nur für diese Gruppe feststellbaren positiven Korrelationen von Lernleistungen und der unterrichtlichen Experimentiererfahrung über Lehrerdemonstrationsexperimente sichtbar. Andererseits war das nachträgliche Vergessen insgesamt und projektbezogen in der Experimentalsituation signifikant stärker als in der Schulsituation. Die Ergebnisse deuten zum einen eine mögliche Erhöhung der Lernmotivation im Lernort Labor an, weiter gesteigert durch das Experimentieren, zum anderen stehen sie im Einklang mit der Cognitive-Load-Theorie, in dem sie auf u.U. höhere unterrichtsbezogene Belastungen der Schüler in der Experimentalsituation hinweisen. Das insgesamt schon hohe Interesse differenzierte sich inhaltlich in Interesse an „Anwendungen der Gentechnik beim Menschen“ und in der „Grünen Gentechnik“ sowie an deren „ethischen Aspekten“. Nur bei den Mädchen war in der Experimental-Gruppe die Abnahme des Gesamtinteresses signifikant gegenüber dessen Stabilität in den nicht experimentellen Gruppen (unabhängig vom Lernort). Entsprechend war in der Experimentalsituation das stabile Interesse an ethischen Aspekten signifikant gegenüber dessen Zunahme in den nicht experimentellen Gruppen. Die vermutete Interesseförderung durch das Experimentieren lässt sich nicht bestätigen. Konsequenzen im Hinblick auf den unterrichtlichen Einsatz von Lehrerdemonstrationsexperimenten, die schulische Vorbereitung von Schülerlabor-Besuchen und die Bedeutung eines unterrichtlichen Rahmens im Lernort Labor werden abgeleitet. |