Wie kopiert man einen Knochen? Nachdem der in den Mainauen gefundene Elchknochen freipräpariert, gesäubert und datiert war, wollte man ihn gern dem Publikum zeigen – um ihn ungeschützt zu präsentieren, ist er aber viel zu empfindlich. Darum haben wir auf ein Verfahren der Medizin zurückgegriffen, mit dem man Knochen „kopieren“ kann. Dabei handelt es sich um ein Verfahren des 3D-Drucks, das Modelle mit stark an den Knochen angelehnten Eigenschaften erzeugt.
-> Fotogalerie Elchknochen im 3D-Druck
Dieses moderne Verfahren kommt in der Medizin dort zum Einsatz, wo komplizierte Eingriffe am Knochen durchgeführt werden müssen. Eine wichtige Anwendung ist die Operation am Schädel. Das Friedrich-Baur BioMed Center gemeinnützige GmbH in Bayreuth erstellt Schädelmodelle vor allem für Eingriffe an Kleinkindern, die starke Deformationen oder frühzeitige Nahtverknöcherungen haben. Dabei schließen sich die Schädelnähte, bevor das Gehirn und damit die Knochenschale seine endgültige Größe erreicht hat. Da hierbei der gesamte Schädel geöffnet und die Knochen umgestellt werden müssen, handelt es sich um einen schwerwiegenden Eingriff – vor allem bei den noch sehr jungen Patienten.
Modelle aus der OP-Planung (Dr. Dr. Roldán, Hamburg) bei Kleinkindern und in Vorbereitung eines Osteotomiekurses (Dr. Rüger, Murnau)
Da kommt dem Arzt ein physikalisches Modell, an dem er den Eingriff planen und sogar zur Probe durchspielen kann, sehr zu gute. Auch die Besprechung mit den Eltern wird so erleichtert. Ein solches Schädelmodell wird anhand von CT-Daten angefertigt, die natürlich nur mit sehr geringer Röntgendosis aufgenommen werden. Dies verschlechtert die Genauigkeit der Aufnahmen, und hier kommt die Expertise des BioMed Centers in Bayreuth ins Spiel: Unter Anwendung schrittweiser Korrekturverfahren und durch Einbeziehung anatomischen Wissens werden die schwach kontrastierten Bereich differenziert und ein möglichst auf die geplante Operation abgestimmtes Modell erstellt. Die Boneplan® genannten Modelle werden dann auf der Basis eines Gipspulvers gedruckt und durch Additive so eingestellt, dass sie sich genauso wie Knochen bearbeiten lassen.
Erstellen eines Knochenmodells aus CT-Daten:
Links löchriges Original, Mitte in violett die Korrekturen, rechts der rekonstruierte Schädel mit einer am Computer erstellten Schablone.
Die knochenähnliche Bearbeitbarkeit und Haptik ist ein großer Vorteil des Boneplan® Systems gegenüber anderen Verfahren, die mit Kunststoff arbeiten. So können am Modell Operationen realistischer, mit den gleichen Hilfsmitteln und Instrumenten, bei authentischen Arbeitsschritten durchgeführt werden. Dies ist auch der Grund, warum die Modelle für internationale Schulungskurse eingesetzt werden. Hier werden aus Bayreuth anstatt der standardisierten, immer gleichen Exemplare individuelle Fälle realisiert, mit denen sich Ärzte über knifflige Situationen durch praktische Übung austauschen oder daran ausbilden können.
Zu einem Kopiervorgang gehören zwei Schritte, zunächst das Einscannen und dann das Drucken. Glücklicherweise kam uns hier Prof. Dr. med. Strotzer und sein Team vom Institut für Radiologie und Neuroradiologie der Klinik Hohe Warte Bayreuth zu Hilfe. Die Experten wussten, wie man die Parameter einer CT einstellen muss, um einen Knochen, dem ja die Hülle aus Weichteilen fehlt, mit hoher Auflösung einzuscannen. Die Details übertrafen sogar die Auflösung des Druckers um einiges. Der Datensatz wurde im sogenannten DICOM Format abgespeichert und im Friedrich-Baur BioMed Center in eine druckbare Datei umgewandelt. Es können allerdings nicht alle Bereiche natürlich nachgebildet werden, die feinen Bälkchen der Spongiosa würden im Druck nicht zur Geltung kommen. Das Modell musste also noch geglättet und für den Druck optimiert werden.
Der Datensatz wurde dann im STL-Format, dem universellen Dateiformat für Rapid Prototyping, an einen Pulverbettdrucker gesendet und dort Schicht für Schicht aufgebaut. Hierbei fährt eine sich drehende Walze eine dünne Pulverschicht aus einem Reservoir über die Bauplattform. Anschließend sprüht der Druckkopf an die Stellen Binder, die später fest werden sollen. Wie bei einem Stapel Scherenschnitte entsteht so aus vielen, dünnen Flächen ein dreidimensionales Modell.
Der Drucker arbeitet, wegen der vielen Schichten, über Nacht. Der Elchknochen hat gerade noch so in den Bauraum gepasst. Nachdem die Zeit zur Aushärtung des Binders vorbei ist, wird der Knochen vorsichtig aus dem Pulver geborgen – die Kopie wird, wie einst das Original, aus der mineralischen Umgebung freigelegt.
Damit die gewünschten knochenähnlichen Eigenschaften und die notwendige Haltbarkeit entstehen, wird der Knochen noch mit einem Kunststoff behandelt. Die speziell aufeinander abgestimmte Materialkombination erzeugt die entsprechende Härte und Stabilität.
So wurde mit einem Verfahren, das eigentlich für die Medizin bei Knochenoperationen eingesetzt wird, der Bayreuther Elchknochen aus den Mainauen kopiert. Und wer besonders viel Glück beim Gewinnspiel des Auenlehrpfads hat, kann ein weiteres der wertvollen Knochen-Exemplare gewinnen.
Mo. 27.03.2023 aktuell Fotos beisteuern: Libellen und Biber in der Wilhelminenaue |
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