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Aktuelle Forschungsschwerpunkte
Ökosystemforschung und Populationsökologie
phytophager Insekten
Ökosysteme sind strukturell als Nahrungsnetze organisiert
mit komplexen Rückkopplungsprozessen zwischen verschiedenen trophischen
Ebenen. Vor allem Waldökosysteme bieten eine ausgezeichnete Möglichkeit
insekteninduzierte trophische Kaskaden vom Kronenraum bis in den Boden zu
verfolgen und die Auswirkungen dieser Interaktionen zwischen Pflanzen, Mikroorganismen
und Insekten auf Stoff- und Energieflüsse zu untersuchen.
Herbivore Insekten wie Schmetterlingsraupen oder Saftsauger
nehmen dabei oft Schlüsselpositionen ein, indem sie durch die Schädigung
des Nadel-/Blattgewebes oder durch Ausscheidungen Nährstoffe verfügbar
machen. Eine Gruppe von Insekten, die zwar wenig spektakuläre Fraßbilder
erzeugt, aber doch eine Schlüsselposition in Koniferenwälder einnehmen
kann, sind Blattläuse. Die dominierenden Blattläuse an Fichten
in Mitteleuropa gehören zur Gruppe der Rindenläuse (Lachnidae)
mit 5 Arten (Cinara spp.), die am Holz saugen und Elatobium abietinum
(Aphididae), eine Art, die an den Nadeln der Fichten saugt. An Sitkafichten
erzeugen diese Blattläuse große Schäden, da nach einem Befall
die Nadeln schnell absterben. Insbesondere die Rindenläuse produzieren
durch das Saftsaugen oft große Mengen an zuckerhaltigen Ausscheidungen
(Honigtau).
Andere Honigtauproduzenten, die lokal und in unterschiedlichen Jahren unterschiedlich
stark auftreten können sind: Fichtengallenläuse (Adelgidae), Schildläuse
und Napfschildläuse (Coccidae), sowie Deckelschildläuse (Diapsidae).
Gerade unter den Napfschildläusen gibt es Arten, die ebenfalls große
Mengen an Honigtau produzieren können (z.B. die Große- und Kleine
Fichtenquirlschildlaus). Die Kenntnis der Faktoren, die zu Dichteänderungen
bei diesen Arten führen ist somit für das Verständnis von Ökosystemprozessen
sehr wichtig (siehe unten).
Gebietsfremde Arten
Die weltweite Verschleppung von Organismen führte wiederholt dazu,
daß diese in ihren neuen Lebensräumen zu Schädlingen werden.
In den Osten der USA ist die Adelgidae (Adelges tsugae, Hemlock
woolly adelgid, HWA) aus Asien eingeschleppt worden und entwickelt sich
dort mittlerweile zu einem erheblichen Problem für die dortigen Wälder.
Diese Adelgiden töten durch ihr Saugen am Strahlenparenchym der jungen
Sprosse die Hemlocktannen innerhalb 5-15 Jahre ab, so daß in Folge
davon die Artenzusammensetzung der Wälder und Ökosystemprozesse
verändert werden. Alle Baumaltersklassen sind betroffen. Beispielsweise
haben die Nadeln befallener Bäume einen deutlich höheren Stickstoffgehalt,
als Nadel unbefallener Bäume. Durch den fortschreitenden Nadelverlust
werden die Wälder immer lichter, die Sonneneinstrahlung nimmt zu und
durch die stärkere Erwärmung des Bodens erfolgen Streuabbauprozesse
schneller. Gleichzeitig erfolgt durch "leaching" aus dem Kronenraum ein höherer
Stickstoffeintrag in den Boden, so daß nitrophile Arten wie Birken
in Hemlockreinbestände einwandern können. Gegenwärtig erfolgt
die Ausbreitung der Adelgiden in Neuengland mit etwa 30 km pro Jahr nach
Norden. Es wird befürchtet, daß durch dieses Insekten eine deutliche
Veränderung in den Lebensgemeinschaften dieser Wälder und deren
Ökosystemfunktionen erfolgt. Bisher ist kein Mittel gefunden worden
die Ausbreitung nach Norden einzudämmen.
Biodiversität und Ökosystemfunktionen
Die Komplexität und Dynamik von Lebensgemeinschaften
sind sehr wahrscheinlich wichtige Größen für eine Reihe von
Ökosystemfunktionen. Allerdings sind die Konsequenzen einer Veränderung
der organismischen Vielfalt für Ökosysteme nicht leicht abzuschätzen,
nicht zuletzt weil aussagekräftige Experimente nur sehr schwer durchzuführen
sind. Uns interessiert aber nicht die Artenzahl in bestimmten taxonomischen
Kategorien eines gegebenen Areals, sondern auch die funktionale Diversität
und die Informationen, die sich aus den Wechselbeziehungen, den Populationsdichte-Schwankungen
oder den Umweltveränderungen ergeben. Unterschiedliche Arten haben deutlich
unterschiedliche "Wertigkeiten" für die Struktur von Lebensgemeinschaften
und Ökosystemprozesse. Diese Schlüsselorganismen zu identifizieren
und ihre Rolle für Ökosysteme zu bewerten, wird unter sich verändernden
Umweltbedingungen zukünftig an Bedeutung noch zunehmen. Die Fragen zur
Funktion der biologischen Vielfalt verknüpfen in diesem Arbeitsbereich
v.a. mikrobiologische und entomologische Ansätze.
Evolution von Myrmekophilen-Ameisen Interaktionen
Ameisen spielen in vielen Ökosystemen eine wichtige
Rolle, z.B. als Prädatoren oder als mutualistische
Partner von Blattläusen, Schmetterlingsraupen, Cocciden oder Membraciden.
Sie sind an den zuckerhaltigen Ausscheidungen interessiert, die Schmetterlingsraupen
in spezialisierten Drüsen (Nektar) oder Blattläuse als Exkremente
(Honigtau) oft in großen Mengen abgeben.
Im Gegenzug können die Ameisenpartner eine gewisse Schutzfunktion
der Ameisen nutzen. Die Beziehungen zwischen Ameisen und vielen Insekten
reicht von einer obligaten Myrmekophilie (stetige Assoziation zwischen den
beiden Partnern) bis zum völligen Fehlen einer Interaktion. Dieses Spektrum
läßt darauf schließen, daß in solchen Wechselbeziehungen
nicht nur
Vorteile zu finden, sondern diese auch von Kosten geprägt sind.
Mit Hilfe von Experimenten und Modellen versuchen wir die Selektionsdrücke,
die bei der Evolution solcher Beziehungen wirken, zu verstehen.
Evolution von Life-history-Strategien klonaler
Insekten
Anpassungen an sich verändernde Umweltbedingungen
sind eine notwendige Voraussetzung, wenn Organismen langfristig erfolgreich
sein sollen. Wie kann beispielsweise die optimale Investition von Blattläusen
in die Fortpflanzung aussehen, wenn sie sich in einer ständig verändernden
Umwelt entwickeln? Für phytophage Insekten kann bereits das nächste
Blatt oder die nächste Pflanze eine sehr unterschiedliche Qualität
aufweisen. Wie sollte man sich also verhalten, um die Fitness zu maximieren?
Sollte man wenige große Nachkommen erzeugen, oder viele kleine; wie
sollte man die Investition in die Fortpflanzung verändern im Laufe der
Saison?
Blattläuse zeichnen sich durch eine
"geschachtelte Generationsfolge" aus, bei der sich in den sich parthenogenetisch
fortpflanzenden Weibchen nicht nur die Töchter sondern bereits die Enkel
entwickeln. Die Untersuchung von Mechanismen, die zu einer Optimierung von
Anpassungsstrategien führen, spielt in der theoretischen Ökologie
und Evolutionsbiologie eine große Rolle. In einer Kombination von gezielten
Experimenten zur Reproduktionsphysiologie und zum Verhalten sowie unter Zuhilfenahme
von Modellen versuchen wir die phänotypische Plastizität und „trade-offs“
von bestimmten Lebensmerkmalen (Abwehrverhalten, Morphendetermination, Reproduktion,
Habitateigenschaften) hinsichtlich ihrer Fitnesskonsequenzen für die
betreffenden Organismen zu beurteilen. Klonale Organismen sind für solche
Fragestellungen besonders geeignet, da die Effekte über mehrere genetisch
identische Generationen hinweg verfolgt werden können.
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