Diploma Thesis
Climate Change and (Winter) Tourism in the Fichtelgebirge Mountains
Willi Seifert (12/2003-06/2004)
Support: Thomas Foken
Teilbetreuung einer Diplomarbeit im Studiengang Geografie (Prof. Dr. Drs. h.c. J. Maier).
Zusammenfassung
Ein Großteil der vorliegenden Arbeit bezieht sich auf den Wintertourismus, deswegen soll sich der Beginn dieses Abschnitts dem Wintertourismus widmen. Wie kaum eine andere Tourismusform ist der (schneegebundene) Wintertourismus im Mittelgebirgsraum aber auch den alpinen Lagen sehr stark von den Schneeverhältnissen abhängig. Die Schneeverhältnisse und deren langfristige Entwicklung lassen sich anhand der Schneesicherheit eines Ortes oder einer Region beschreiben, die direkt an die klimatischen Verhältnisse und deren Entwicklung gekoppelt ist. Sowohl die Prognosen zur globalen Entwicklung des Klimas als auch die Prognosen zur klimatischen Entwicklung im Fichtelgebirge weisen eindeutig auf eine Erwärmung der Durchschnittstemperaturen hin, wobei diese besonders in den Wintermonaten stark ausfallen wird. Aufgrund der großen Sensitivität des Wintertourismus gegenüber (guten) Schnee-verhältnissen wird diese Erwärmung mit der Konsequenz weiter abnehmender Schneesicherheit zu deutlichen Umstrukturierungen im Wintertourismus führen. Dies betrifft neben den alpinen Regionen, zu denen bereits einige Forschungsarbeiten existieren, in besonderem Ma-ße auch die Mittelgebirgsregionen. Neben grundlegenden theoretischen Darstellungen nimmt die vorliegende Arbeit zum einen Bezug auf Prognosen zur klimatischen Entwicklung des Untersuchungsgebiets und versucht darüber hinausgehend mit eigener empirischer Analyse zur Schneesicherheit zu verdeutlichen, wie sich die Schneeverhältnisse in der Untersuchungsregion in den kommenden Jahrzehnten entwickeln werden und welche Auswirkungen dies auf den (schneegebundenen) Wintertourismus der Region hat. Zum anderen soll sie aufzeigen, wie Touristen aber auch Tourismusverantwortliche sowie weitere Akteure des Wintertourismus den Klimawandel wahrnehmen und auf diesen reagieren. In einem abschließenden Teil werden aktuelle touristische Konzepte und Planungen der Region aufgegriffen und diese im Hinblick auf mögliche Anpassungsstrategien an die Klimaveränderung bewertet.
Aufbauend auf den Ergebnissen der Studie von FOKEN (2003a) sowie der Veröffentlichung von FOKEN/LÜERS (2003) zeigt die empirische Analyse der Schneedaten auf, wie sich die klimatischen Rahmenbedingungen und insbesondere die Schneeverhältnisse in den letzten Jahrzehnten im Untersuchungsgebiet entwickelt haben, wie sich die derzeitige Situation darstellt und welche Entwicklungen sich auf Basis ermittelter Trends abzeichnen. Dabei wird ohne jeden Zweifel erkennbar, dass sich die klimatischen Rahmenbedingungen für schneegebundenen Wintertourismus infolge der stattgefundenen Erwärmung seit den 1960er Jahren bereits deutlich verschlechtert haben. Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen und zu einer weiteren Verschlechterung der Schneeverhältnisse und damit weiter zurückgehender Schneesicherheit führen. Bereits bis 2025 werden sich so die Voraussetzung für Ski Alpin deutlich negativ entwickeln, was sowohl für die „natürlichen“ Schnee-verhältnisse als auch für das sog. Beschneiungspotential gleichermaßen zutrifft. Die stark rückläufige Zahl der Lifttage wird dazu führen, dass ein Betrieb der Liftanlagen dann nur noch sehr eingeschränkt möglich sein wird. Mit technischer Beschneiung könnte man den Liftbetrieb mittelfristig sichern, langfristig wird aber auch mit Unterstützung von Kunstschnee Ski Alpin nicht in der Region gehalten werden können. Die negative Entwicklung der klimati-schen Rahmenbedingungen gilt ebenso für Ski Langlauf, der sich nach den ermittelten Trends um 2025 bereits ausschließlich auf die Hochlagen des Fichtelgebirges beschränken wird. Diese Entwicklungen betreffen auch nahezu alle weiteren, in der Arbeit aufgeführten, schneege-bundenen Angebotselemente. Lediglich das Winterwandern in einer verschneiten Landschaft wird dem Fichtelgebirge aufgrund der dafür sehr geringen erforderlichen Schneehöhe noch sehr lange erhalten bleiben.
Insgesamt gehen etwa zwei Drittel der befragten Winter- sowie Sommergäste von starken Auswirkungen des Klimawandels auf den Wintertourismus im Fichtelgebirge aus. Für die in der Arbeit verwendeten Gruppen der Schneeurlauber bzw. Spontanbucher, welche mehr als die Hälfte der Übernachtungsgäste im Winter ausmachen, stellen gute Schneeverhältnisse einen zentralen Faktor bei der Buchungsentscheidung dar. Nur bei guten Schneeverhältnissen wird das Fichtelgebirge auch zukünftig von diesen Gruppen stark frequentiert werden. Trotz der Vorteile, die das Fichtelgebirge bspw. in den Bereichen Landschaft, Natur oder Preis-Leistungs-Verhältnis hat, wird man diese Gruppen nur bei guten Schneeverhältnissen weiter an sich binden können. Große Teile dieser Gruppen geben auch an, dass sie bei schlechten Schneeverhältnissen in schneesicherere Gebiete der Alpen fahren werden, um dort schneege-bundenen Aktivitäten nachzugehen und nur ein kleiner Teil würde weiter in Mittelgebirgsre-gionen wie das Fichtelgebirge kommen. Somit wird sich das Fichtelgebirge mittel- bis langfristig auf Verluste in diesem Gästesegment einstellen müssen. Gleiches gilt im Winter für die vielen Tagesbesucher und Naherholer, die sogar den überwiegenden Teil der touristischen Umsätze im Fichtelgebirge generieren. Somit zeichnen sich Einbußen sowohl bei den Beher-bergungsbetrieben als auch bei der regionalen Gastronomie ab.
Inwieweit das Fichtelgebirge aber zumindest mittelfristig diese Rückgänge verhindern oder sogar wieder Zuwächse verzeichnen kann, hängt davon ab, ob man in den kommenden Win-tern technische Beschneiung realisiert. Mit einer konzentrierten Beschneiung an ausgewählten Liftanlagen sowie evtl. Möglichkeiten für einige wenige Loipen könnte man diese Gästeseg-mente mittelfristig erhalten bzw. ausbauen.
Die Bedeutung technischer Beschneiung für die nähere Zukunft wird auch von der überwiegenden Zahl der Tourismusverantwortlichen und Vermieter insbesondere aus dem Hohen Fichtelgebirge sowie von den Skischulen und Liftbetreibern erkannt. Man hat die Gefahren realisiert, die sich aus dem Klimawandel und den sich verschlechternden Schneeverhältnissen für das Winterimage und die Attraktivität der Region und damit der (schnee-)touristischen Nachfrage ergeben. In den weniger schneeabhängigen Gemeinden spielt der Einsatz techni-scher Beschneiung dagegen kaum eine Rolle und es wird dort auch angezweifelt, ob technische Beschneiung im Hohen Fichtelgebirge tatsächlich großen Nutzen entfalten kann. Parallel müssen aber die Weichen für einen schneeunabhängigen Wintertourismus gestellt werden, da wegen der klimatischen Entwicklung langfristig eine Sicherung des schneegebundenen Tourismus in der Region nach den derzeitigen Trends ausgeschlossen scheint. Dass man sich langfristig vom schneegebundenen Wintertourismus verabschieden muss und gravierende Umstrukturierungen in den Gemeinden des Hohen Fichtelgebirges notwendig sind, das wird derzeit aber nur von wenigen Befragten aus diesem Gebiet erkannt, während jene aus den Gemeinden außerhalb des Hohen Fichtelgebirge diese Entwicklung nahezu geschlossen akzeptieren. Man sollte nicht den Fehler begehen und annehmen, dass technische Beschneiung an einigen Liftanlagen als sinnvolle und dauerhafte Umstrukturierung des Wintertourismus im Hinblick auf den Klimawandel ausreicht. Dies würde ohne Zweifel zur einer Fehlentwicklung führen, die in einigen Jahren noch gravierendere Konsequenzen zur Folge hätte.
Bei den Befragungen der Gruppen des touristischen Angebots zeigt sich insgesamt, dass durch die Berichterstattung in den Medien eine breite Sensibilisierung für den Klimawandel vorhanden ist und diese durchaus bereits in die touristischen Planungen mit einfließt. Dabei wird der Klimawandel kaum mehr bestritten und die Medien für eine „reißerische“ Berichterstattung dieser Thematik kritisiert wie es in vielen alpinen Regionen der Fall ist. Vielleicht führt hier die doch deutlich geringere Abhängigkeit von schneegebundenem Tourismus dazu, dass man eher bereit ist, sich für diese Entwicklung zu öffnen und ihr zu begegnen. Es zeigt sich nicht jenes inkonsistente Verhalten, das in der Mehrzahl der Wintertourismusregionen in den Alpen zu beobachten ist. Dort wird nämlich zum einen die Klimaänderung bestritten oder verharmlost, zum anderen aber als Argument herangezogen, um technische Maßnahmen zur Sicherung des Skisports zu rechtfertigen, wobei die Ausweitung technischer Beschneiung und der Ausbau der Skigebiete in höhere Regionen an erster Stelle stehen.
Aus der vorliegenden Arbeit lässt sich in jedem Fall großer Handlungsbedarf für die Schaf-fung eines zukunftsfähigen (Winter-)Tourismus ableiten, der durch die ohnehin schon negative Entwicklung der letzten Jahre verstärkt wird. So kann nach den Ergebnissen der Gästebefragung und der Bedeutung des Tagesgeschäfts für die Region nicht von der Hand gewiesen werden, dass eine an ausgewählten und sinnvollen Stellen konzentrierte Realisierung technischer Beschneiung mittelfristig helfen kann, Rückgänge im (schneegebundenen) Wintertourismus zu stoppen und den Trend der letzten Jahre möglicherweise umzukehren. Andererseits besteht aber eine mindestens ebenso große Notwendigkeit, nach alternativen Strategien zu suchen, mit denen mittel- bis langfristig die Weichen für einen schneeunabhängigen Touris-mus sowie die Belebung des Ganzjahrestourismus gestellt werden. Touristische Konzepte und Planungen ohne diesen Bestandteil alternativer Strategien würden nach Ansicht des Verfassers in eine gefährliche und nicht nachhaltige Richtung weisen. Das REK der „Wohlfühlregi-on Fichtelgebirge“ ist in dieser Hinsicht als sehr positiv zu beurteilen, da es viele Ansatzpunkte aufzeigt, die den Weg zu einem zukunftsfähigen Tourismus im Fichtelgebirge vorzeichnen. Eine konsequente Umsetzung der beiden touristisch ausgerichteten Handlungsfelder würde einen wichtigen Schritt auf diesem Weg darstellen. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen und Projekten könnte eine Thematisierung, Profilierung und Professionalisierung des Ganzjahrestourismus erreicht werden, wobei man dabei sowohl an vorhandene Potenziale der Region anknüpfen als auch aktuelle Trends im Freizeit- und Tourismussektor aufgreifen würde. Dass ein derartiger Weg erfolgreich beschritten werden kann, zeigt u.a. der Harz, der durch seine „Tourismusoffensive Harz 21“ die Rahmenbedingungen für einen zukunftsfähigen Tourismus in einem Mittelgebirgsraum geschaffen hat und auf diesem Weg bereits auf erste positive Auswirkungen dieser Strategie blicken kann.
Abschließend noch einige Anmerkungen zu der Thematik Klimaänderung und Sommertourismus. Im Gegensatz zum Wintertourismus reagiert der Tourismus im restlichen Jahr weit weniger sensibel auf klimatische Veränderungen. Allerdings deutet der Trend für das Frühjahr hin zu weniger Niederschlag und steigenden Durchschnittstemperaturen. Es sollte der Versuch unternommen werden, dies in die touristische Bewerbung der Region einzubauen und die in diesem Zeitraum steigende Attraktivität der Region für Wanderer, Radfahrer und Mountainbiker aber auch weitere Outdoor-Aktivitäten herauszustellen. Für die Sommermonate lassen sich rein auf Basis klimatischer Trends keine Aussagen zu Veränderungen im Tourismus treffen. Für den Herbst konnte in den letzten Jahrzehnten eine Zunahme der durchschnittlichen Niederschläge sowie leicht sinkende Durchschnittstemperaturen festgestellt werden. Es muss jedoch abgewartet werden, ob und inwieweit sich diese Trends fortsetzen und ob diese von der touristischen Nachfrage überhaupt in der Form wahrgenommen werden. Nur dann wären Auswirkungen auf das Urlauberverhalten in diesem Zeitraum zu erwarten.