Detektivarbeit mit Gummistiefeln und Bohrstock

Detektivarbeit mit Gummistiefeln und Bohrstock

18.11.2015

Beim Projektseminar „Ökologische Neugestaltung des Freizeitgeländes in Brand“ gewannen angehende Geoökologinnen aus Bayreuth gemeinsam mit Studierenden der Landschaftsarchitektur aus Brno Einblicke in die Praxis der Landschafts- und Projektplanung.

Projektseminar Brand

Projektseminar Brand

Wenn sich eine kleine Gemeinde in der nördlichen Oberpfalz an eine deutsche und eine tschechische Universität wendet, mit dem Auftrag, ein heruntergekommenes Schwimmbadgelände zu einer im Umkreis der Gemeinde einzigartigen Attraktion umzugestalten, dann klingt das nach einer großen Herausforderung. Dass auch noch große Teile des Areals stark vernässt sind, macht die ganze Aufgabe noch ein bisschen abenteuerlicher. Um die Gemeinde bei dieser Herausforderung zu unterstützen, trafen sich Mitte Oktober insgesamt neun Studentinnen aus Brno und Bayreuth für einen viertägigen Planungsworkshop in Brand in der Oberpfalz. Fachlich begleitet wurden sie von Franz Moder, Experte in ökologischer Landschaftsplanung, und Birgit Thies aus der BayCEER Geschäftsstelle. Auf tschechischer Seite stand Dr. Petr Hodonický den angehenden Landschafts­architektinnen der Mendel University zur Seite.

Das Areal des seit 2004 aus Kostengründen geschlossenen Freibads der Gemeinde soll umgestaltet, die Mittel dazu sollen aus der Strukturförderung der EU – genauer gesagt dem INTERREG-A-Programm – kommen. Wichtig sind dabei ökologische Aspekte, weshalb sich die Regionalmanagerin Lucie Mantel an der für Ökologie und Umweltwissenschaften bekannten Uni Bayreuth nach Mitwirkenden umschaute.

Bepackt mit Laptop und Gummistiefeln hofften fünf Bayreuther Geoökologie- und Global Change Ecology-Studentinnen durch dieses Seminar bereits während des Studiums ein bisschen Praxisluft zu schnuppern. Und sie wurden nicht enttäuscht: an Aufgaben, die die praktische Anwendung des im Studium erworbenen Wissen forderten, mangelte es nicht. Aber auch methodische Kreativität war gefragt. So war eine der Aufgaben, die Ursache für die starke Vernässung des Geländes zu finden und Vorschläge zu machen, wie diese vermindert werden könnte. Um der Lösung dieses Rätsels auf die Spur zu kommen, wurden – bei durchaus ungemütlichem Herbstwetter – auf dem Gelände mit Hilfe von Bohrstock und Hammer Bodenproben genommen und vor Ort analysiert. Die hieraus abgeleitete Vermutung, dass es sich um die natürliche Vernässung eines ehemaligen Moorgebiets handelt, konnten die Studentinnen bei weiteren Nachforschungen in alten Karten aus dem Archiv der Gemeinde bestätigen.

Projektseminar Brand

Projektseminar Brand

Projektseminar Brand

Am Planungsworkshop wirkten sowohl der Gemeinderat als auch Bürger aus Brand mit zahlreichen Ideen, Hinweisen und Bedenken aktiv mit. Dazu wurde an zwei Abenden mit verschiedenen Zielgruppen diskutiert, am Samstag stellten die Studierenden ihre Ergebnisse vor. Während sich im Ziel, etwas aus der Brachfläche zu machen, alle einig waren, äußerten die verschiedenen Altersgruppen unterschiedliche Bedürfnisse: vom Spiel- und Erlebnisraum für Kleinkinder über Sportmöglichkeiten bis hin zur Absicht, Feste und Konzerte zu veranstalten. Insbesondere die Fortführung des – inzwischen weit bekannten und zahlreich besuchten – Ranger Rock Festivals wurde häufig erwähnt.

Ein besonderer Wunsch aller Interessensgruppen rief wieder die Bayreuther Ökologinnen auf den Plan: Der in den 1920er Jahren unter die Erde gelegte Grundbach soll wieder an die Oberfläche geholt werden, um auf dem ehemaligen Schwimmbadgelände das Element Wasser wieder erlebbar zu machen. Das Problem daran: Keiner wei߸ wo genau der verrohrte Grundbach fließt. Und so begann eine längere Schatzsuche, bei der die Studentinnen auf dem Gelände zahlreiche Schächte suchten, fanden, öffneten und rätselten, wo das darin fließende Wasser herkommt und hinfließt. Ergänzend dazu blätterten sie – in der warmen und trockenen Atmosphäre des Pfarrsaals – in alten archivierten Gemeindekarten. Am Ende gelangten sie zu der Schlussfolgerung, dass der Grundbach – vermutlich aufgrund von Drainagen und anderer Wasserableitungen – in seiner ursprünglichen Form nicht mehr existiert. Ob ein Bachlauf, wie ihn die tschechischen Landschaftsarchitektinnen planen, dennoch realisiert werden kann, wird eine Qualitätsprüfung des Wassers aus den gefundenen Schächten zeigen. Schön wäre dies auf jeden Fall!

Projektseminar Brand

Während die Bayreuther Studentinnen in Gummistiefeln und Regenjacke den Grundbach suchten, Bäume kartierten und Bohrstöcke einschlugen, ließen die Studentinnen aus Brno ihren Zeichenstiften freien Lauf. Sie schlugen eine Aufteilung des Geländes in eine naturbelassene Ruhe- und Naturerlebniszonen sowie einen Bereich für Feste und Sport mit Neubau einer Bühne vor. Nach diesen Plänen bleiben große Teile der bestehenden Strukturen weiter nutzbar, was insbesondere bei den Gemeinderäten gut ankam, da so das Gelände seinen ursprünglichen Charme (verbunden mit Erinnerungen der Dorfbewohner) behalten und sich der Umbau nicht ganz so teuer gestalten würde. Als Anhaltspunkt dafür, welche Flächen aus ökologischer Sicht erhaltenswert sind, fertigten die Ökologinnen nach den Geländebegehungen eine Karte mit verschiedenen Biotoptypen an.

Viele Fragen sind dennoch weiterhin offen: Wäre die Wasserqualität des neuen Bachlaufs gut genug, dass es sich auch für einen Kinder-Wasserspielplatz eignet? Was kostet die Umsetzung der Pläne? Was ist der beste fußläufige Weg vom Dorf zum revitalisierten Freizeitgelände? Kann durch die Neugestaltung ein Anziehungspunkt über die Gemeindegrenzen hinaus geschaffen werden, und lassen sich neue Zielgruppen für den zu groß gewordenen Campingplatz erschließen?

Die Studentinnen aus Bayreuth und Brno fassen nach diesem erlebnisreichen Auftakt ihre Ergebnisse schriftlich zusammen. Sie haben Einiges für die Zukunft gelernt. Ein Beispiel: Der Erfolg eines Projekts hängt zu großen Teilen an der erfolgreichen Kommunikation zwischen allen Beteiligten - und dabei sind die unterschiedlichen Muttersprachen nicht unbedingt das größte Hindernis. Ach ja, und Gummistiefel kombiniert mit dicken Socken sind im oberpfälzer Herbst eine echt praktische Sache!

Alle Mitwirkenden hoffen auf ein baldiges Wiedersehen in Brand - bei besserem Wetter zur Einweihungsfeier fürs neue Freizeitgelände. Wir drücken die Daumen!

(Autorinnen: Isabel Spies / Birgit Thies)

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