Faktoren der Grundwasserbeschaffenheit und Ökosystemstabilität in Grundwasserneubildungsgebieten – interdisziplinäre Erkenntnisse aus dem Hainich Critical Zone Exploratory

Robert Lehmann1, Kai Uwe Totsche1
1 Lehrstuhl für Hydrogeologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena

V 15.10 in Grundwasserqualitätsentwicklung – Erkenntnisse aus Langzeitstudien in der Kritischen Zone

24.03.2022, 13:00-13:15, HS 2

Auch in Fließsystemen genutzter Grundwasserressourcen, stellen deren topographische Neubildungsgebiete kaum kartierte und überwachte unterirdische Ökosysteme dar. Insbesondere die mächtige Aerationszone in variabel gesättigten Regolith und Festgestein, die vielfältige Habitate und den Schwankungsbereich des phreatischen Grundwasser umfasst, stellt einen wenig erforschten Rückhaltespeicher, Filter und Reaktor, als auch Stoffquelle für die Herausbildung der Grundwasserbeschaffenheit dar. Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs AquaDiva wurde das Hainich-Exploratorium der Kritischen Zone (Hainich Critical Zone Exploratory) eingerichtet, um den Einfluss von Oberflächenbedingungen (z.B. Wetterereignisse, Landnutzung) und geologischen Standorteigenschaften auf die unterirdische Biodiversität und Ihre Funktionen zu untersuchen. Dabei werden die Kalkstein-Mergel-Wechselfolgen des Oberen Muschelkalks stellvertretend für sedimentäre Festgesteinsgrundwasserökosysteme erforscht. Intensive Standorterkundung und das interdisziplinäre Langzeitmonitoringprogramm bieten dabei tiefe Einblicke in die Struktur und Stabilität endolithischer Ökosysteme und deren Faktoren (Benk et al. 2019; Yan et al. 2021). Auf der untersuchten sub-regionalen Skala war ein großer Satz von Umwelttracern erforderlich, um schichtübergreifenden Austausch von Grundwasser, sowie transiente Fließmuster zu identifizieren. Multidirektionale (Fluid-/Grundwasser-)Fließvorgänge als intrinsische Phänomene im Untergrund topographischer Erhebungen und in sedimentären Wechselfolgen, erwiesen sich als wichtiger Faktor der Ökosystemkompartimentierung (Lehmann & Totsche, 2020). Reaktionen mobiler Bakteriengemeinschaften auf schichtübergreifenden Austausch von organischem Material hoher Diversität (Benk et al. 2019) verdeutlicht die Kontrollfunktion von Oberflächenbedingungen. Jedoch zeigt das Vorherrschen heterotropher Bakterien in isolierten Habitaten (z.B. Mergelsteine) auch die Komplexität der mikrobiellen Nährstoffversorgung, die in sedimentärem Gestein auch unabhängig von oberflächenbürtigen Quellen erfolgt. Die Langzeitüberwachung der mobilen Grundwasserbiome offenbarte eine zeitliche Entwicklung und saisonale Muster, die auf Grundwasserneubildungsphasen zurückzuführen sind, sodass auch Festgesteinsökosysteme als weniger stabil angesehen werden müssen (Yan et al. 2021) und deren Leistungen vermutlich auch klimatischem Wandel unterliegen.



Benk S.A., Yan L., Lehmann R., Roth V.-N., Schwab V.F., Totsche K.U., Küsel K., Gleixner G. (2019). Fueling diversity in the subsurface: Composition and age of dissolved organic matter in the Critical Zone. Frontiers in Earth Science 7: 296.

Lehmann, R., Totsche, K. U. (2020). Multi-directional flow dynamics shape groundwater quality in sloping bedrock strata. Journal of Hydrology 580.

Yan L., Hermans S.M., Totsche K.U., Lehmann R., Herrmann M., Küsel K. (2021) Groundwater bacterial communities evolve over time in response to recharge. Water Research 201: 117290.



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