Auenlehrpfad

Mikrokosmos Totholz: Totholztiere

Mikrokosmos Totholz: Totholztiere"Totholz" ist ein irreführendes Wort, bedenkt man das Wimmeln und Leben, das in abgestorbenen Bäumen stattfindet. Eine Vielzahl von Insekten, Vögeln und sogar Säugetieren benötigt strukturreiche Wälder mit Alt- und Totholzbestand, ebenso wie unzählige Pilze, Flechten und Moose. Schätzungen ergeben, dass 20-30% aller Tierarten im Wald direkt oder indirekt abhängig sind von Totholz. Dabei gibt es viele Spezialisten, die nur an einer engen Auswahl von Baumarten überleben oder ein sehr spezielles Nahrungsspektrum haben oder nur an stehendem Totholz den richtigen Lebensraum finden. Viele dieser Tiere sind bedroht, vor allem unter den über 1300 totholzabhängigen Käferarten in Mitteleuropa stehen mehr als die Hälfte auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten.
Das ist nicht weiter verwunderlich - leider. Denn über Jahrzehnte hinweg wurden unsere Wälder in Monokulturen umgewandelt und "aufgeräumt". Totes Holz "gehörte" nicht in den Wald und wurde entfernt. Man machte das Totholz verantwortlich für die Ausbreitung des Borkenkäfers, der standortsfremd angebaute und vorgeschädigte Fichtenbestände dezimieren kann. Glücklicherweise findet nach und nach ein Umdenken in der Forstwirtschaft statt und der Wert alter und abgestorbener Bäume für die Artenvielfalt wird wieder anerkannt.

Tierarten können aus ganz unterschiedlichen Gründen vom Totholz abhängen. Zu diesen sogenannten Xylobionten zählen Tiere,

  • die sich in einem Stadium ihres Lebens von Rinde oder Holz ernähren
  • die die vorhandenen Gänge als Bruthöhlen nutzen
  • die sich von Pilzen, Bakterien, Insektenkot oder räuberisch-parasitisch ernähren
  • die in Höhlen im Baum leben.

 

Baumhöhlenbewohner:

Am besten kennen wir die auffälligen Vogel-, Reptilien- und Säugetierarten, die in Baumhöhlen leben. Spechtarten wie Kleinspecht, Schwarzspecht und Dreizehenspecht trommeln ihre Höhlen in morsche Stämme, ebenso wie Weiden- und Haubenmeise, die im weichen toten Holz von Weiden und Pappeln kleine Höhlen anlegen. Viele andere Vögel nutzen die vorhandenen Höhlen, zum Beispiel Eulen wie der Sperlingskauz oder der Raufußkauz, die Hohltaube, und kleinere Singvögel wie Kleiber und Trauerschnäpper. Zu den Säugetieren im Totholz zählen neben Eichhörnchen, Siebenschläfer und Baummarder viele Fledermausarten, hier in der Aue beispielsweise die Wasserfledermaus. Sogar Amphibien und Schlangen überwintern manchmal in bodennahen Baumhöhlen, zum Beispiel Kreuzottern und Ringelnattern.

 

Holzfressende Tiere (Xylophage und Saproxylophage):

Bei den holzfressenden Tieren handelt es sich eigentlich ausschließlich um Insekten, vor allem um Käfer. Nur wenige Insekten können einen wichtigen Bestandteil des Holzes aufspalten: die Zellulose. In frischem Holz ist davon jede Menge enthalten, so dass es nur sehr wenige Insektenlarven gibt, die lebendem Holz zusetzen können, zum Beispiel der Buchdrucker (Ips typographus). Die meisten holzfressenden Insekten bzw. ihre Larven nutzen als Nahrungsquelle morsches Holz, in dem die Zellulose durch Pilze wie Braunfäule- oder Schlauchpilze, oder durch Bakterien zumindest teilweise zerstört wurde. Zu ihnen zählen die Larven des auffälligen (und stark gefährdeten) Hirschkäfers, viele große bunt-schillernde Prachtkäferarten wie der Pappelprachtkäfer (Agrilus ater) oder der Zweipunktige Eichenprachtkäfer (Agrilus biguttatus) oder eine Vielzahl von hübsch gemusterten Bockkäfern wie Leiterbock oder Alpenbock.

 

Pilzfressende Tiere (Mycophage):

Einige Tiere ernähren sich von den Pilzen, die am und im toten Baum zu finden sind. Dabei kann es sich um feinste Pilzmycele im Innern eines Fraßgangs oder um riesige Pilzkörper auf dem Baum handeln. Der Gelbbindige Schwarzkäfer (Diaperis boleti) ist einer der Vertreter dieser Gruppe, hauptsächlich zu finden auf Birkenporling oder Schwefelporling. Auch Schwammkäfer sind spezialisiert auf totholzbesiedelnde Pilze wie z.B. den Zunderschwamm.

 

Fäulnisfresser (Saprophage):

Wenn die Rinde verletzt wird oder ein Baum abstirbt, tritt häufig Baumsaft aus. Dieser wird von Pilzen oder Bakterien zersetzt und dient bestimmten Insekten als Nahrungsquelle. Zu ihnen gehören beispielsweise die bis zu 9cm großen adulten Hirschkäfer.

 

Mulmhöhlenbewohner

Eine Besonderheit in toten Bäumen aber auch an Verletzungen lebender Bäume sind die Mulmhöhlen. Das Wort Mulm kommt vom Wort mahlen, und tatsächlich handelt es sich dabei um zersetzte Holzreste in Kombination mit Stoffwechselprodukten, Bakterien und Insektenkot. Hier leben zum Beispiel viele Schnellkäferarten, ebenso wie die Larven des stark gefährdeten Großen Rosenkäfers, des Nashornkäfers, aber auch Fliegen- Bienen- und Mückenarten. Der Ökologisch-Botanische Garten der Universität Bayreuth forscht intensiv über die Bedeutung von Mulmhöhlen im Wald (siehe Mikrokosmos Totholz: Forschung).

 

Jäger im Totholz:

Schließlich gibt es noch die vielen Tiere, die sich von anderen Totholztieren ernähren, sei es parasitisch, sei es als Räuber. Die Larven des Scharlachroten Feuerkäfers leben unter der Rinde und ernähren sich von anderen Insektenlarven. Die Holzwespen-Schlupfwespe (Rhyssa persuasoria) legt ihre Eier direkt auf den Larven der Holzwespen (Siricidae) ab, die Dank einer Vergesellschaftung (Symbiose) mit einem Pilz auch frisches cellulose-reiches Holz angreifen können und somit Schädlinge sind. Mit ihrem langen Legebohrer (KEIN Stachel) bohrt sie durch das Holz und lähmt die Holzwespenlarve mit einer leichten Giftdosis. Nach und nach wird die Holzwespe von der Schlupfwespenlarve aufgefressen.

Zum Weiterlesen:

ForstCast.net - Podcast zum Totholz (LWF, Bayern)

Waldwissen.net: Totholz (WSL, Schweiz)

Totholzbewohner (WSL, Schweiz)

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