Rekonstruktion der aktuellen Salzverteilung in einem Küstenaquifer: Ein paleohydrogeologischer Modellierungsansatz für das Fallbeispiel Nordwestdeutschland

Stephan L. Seibert1, Friederike Bungenstock2, Holger Freund3, Janek Greskowiak1, Martina Karle2, Gualbert H. P. Oude Essink4, Joeri van Engelen4, Gudrun Massmann1
1 Institut für Biologie und Umweltwissenschaften, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
2 Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung
3 Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM), Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
4 Unit Subsurface and Groundwater systems, Deltares

P 3.3 in Grundwasserversalzung – Ursachen, Herausforderungen und Ausblicke

Aus hydrogeologischer Sicht stehen Küstenaquifere vielerorts unter enormem Stress. Dieser Umstand bedingt sich zum einen durch eine generelle Zunahme der Weltbevölkerung in Küstennähe und dem damit verbundenen erhöhten Süßwasserbedarf. Zum anderen resultiert der globale Klimawandel in einem steigenden Meeresspiegel und Variationen der Grundwasserneubildung. Für Wasserversorgung, Landwirtschaft, Naturschutzbelange und eine Vielzahl von Entscheidungsträgern stellen diese gesellschaftlich-klimatischen Veränderungen eine große Herausforderung dar. Insbesondere die drohende Gefahr durch Grundwasserversalzung küstennaher Aquifere hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen.

Eine genaue Kenntnis der aktuellen Versalzungssituation von Küstenaquiferen ist zur Beurteilung des Ist-Zustandes erforderlich, zum anderen aber auch als Ausgangspunkt für Projektionen der Salzverteilung. Für die Ermittlung des aktuellen Versalzungszustandes stehen heute verschiedene Erkundungsmethoden zur Verfügung. Neben der Analyse von Grundwasserproben haben geophysikalische Methoden in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen. So ermöglichen Hubschrauber-Elektromagnetik(HEM)-Überfliegungen und die dabei ermittelten Widerstandsprofile eine Abschätzung der regionalen Salzverteilung. Stand 2021 ist die Datendichte „realer“ Versalzungsdaten in Deutschland jedoch begrenzt, sodass die exakte Salzverteilung der hiesigen Küstenaquifere meist unbekannt ist.

In dieser Studie haben wir einen paleohydrogeologischen Modellierungsansatz verfolgt, um (i) die aktuelle Salzverteilung in einem Küstenaquifer zu rekonstruieren und (ii) die zugrunde liegenden Versalzungsmechanismen besser zu verstehen. Als Fallbeispiel diente die Weser-Ems-Region in Nordwestdeutschland. Für die paleohydrogeologische Modellierung wurde ein numerisches dichteabhängiges Grundwasserströmungs- und Stofftransportmodell erstellt, wobei die sich ändernden Randbedingungen während des Holozäns berücksichtigt wurden (u.a. Meeresspiegelanstieg, geomorphologische Veränderungen, Veränderungen der Deichlinie, Implementierung von Drainagesystem und Grundwasserförderung).

Trotz der konzeptionellen Vereinfachungen des paleohydrogeologischen Modellierungsansatzes ergab ein qualitativer Vergleich der modellierten Salzverteilung nach einer Simulationszeit von 9.000 Jahren mit zur Verfügung stehenden geophysikalischen und hydrochemischen Daten eine gute Übereinstimmung. Die rapide Zunahme des holozänen Meeresspiegels sowie die Entwicklung der Paleo-Geographie, der Deichlinie und des Drainagesystems stellten die wichtigsten zeitlich variablen Randbedingungen dar. Der paleohydrogeologische Modellierungsansatz kann für ähnliche Küstenaquifere (u.a. Einfluss mariner Transgression, Mächtigkeit >100 m) in Deutschland und anderen tiefliegenden Gebieten weltweit ein wichtiges Mittel sein, um das Verständnis der Versalzungssituation zu verbessern und einen Startpunkt für zukünftige Projektionen der Salzverteilung zu generieren.



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