Räumliche Muster der Biodiversität und Störungsregimes in semiariden Ökosystemen Nordost-Marokkos (DFG: BE 2192/5-1)
BE 2192/5-1(5-2,5-3)
Von 03/2003 bis 03/2006Projektleiter: Carl Beierkuhnlein
Mitarbeiter: Gerald Jurasinski
Biodiversity and Disturbance: Raster based Investigations in Semi-arid Ecosystems (BIOS:RISE)
> Einleitung
> Ziele und Thesen
> Arbeitsprogramm
> Untersuchungsgebiet
Einführung in die Problematik
Störungen bestimmter Art und Intensität können zum Verlust biotischer Diversität und somit zur Veränderung von ökosystemaren Strukturen und Funktionen führen. Störungen können jedoch auch als ein Schlüsselfaktor zur Erhaltung der biotischen Diversität identifiziert werden (WHITE and JENTSCH 2000). In Europa waren anthropogene Störungen in Form von Landnutzungsveränderungen erheblich an der Entwicklung der derzeitigen Biodiversität beteiligt. Desweiteren ist auch die Rolle der biotischen Diversität bei der Reaktion von Ökosystemen auf auftretende Störungen hervorgehoben worden (TILMAN et al. 1998).
Im Zusammenhang mit dem Leitbild der nachhaltigen Nutzung ist die Erklärung
und Vorhersage der Auswirkungen von Landnutzungsveränderungen auf die
räumliche Heterogenität und die biotische Diversität in semi-ariden
Waldökosystemen bedeutsam. Die Landnutzungsveränderungen können
als eine Veränderung von Störungsregimes angesehen werden.
Ziele und Thesen
Ziel des Vorhabens ist es, Methoden zu entwickeln, die es gestatten die
Einflüsse anthropogener Landnutzung auf die räumlichen Muster
der floristischen Diversität darzustellen. Dazu sollen Eigenschaften
der qualitativen Vielfalt (beta-Diversität) semiarider Ökosysteme
auf verschiedenen Maßstabsebenen ermittelt werden. Ähnlichkeits-
oder Distanzmaße (Proximitätsmaße) dienen als Grundlage
zur Identifikation räumlicher Muster.
Störungen induzieren spezifische Veränderungen in Diversitätsmustern.
Die räumliche Diversität ist somit ein wertvolles Hilfsmittel
zur ökologischen Raumbewertung und zur Folgenabschätzung menschlicher
Eingriffe. Kann der Einfluss von Störungen auf räumliche Muster
der beta-Diversität quantifiziert werden, so können auf der Grundlage
sozio-ökonomischer Szenarien Entwicklungen von Diversitätsmustern
prognostiziert werden.
Ist eine Quantifizierung von Biodiversität und eine verlässliche
Abbildung von Störungseinflüssen und Standorteigenschaften in
den räumlichen Mustern der beta-Diversität über die Erfassung
von funktionellen Gruppen möglich, so besteht Aussicht auf die Entwicklung
eines nicht an taxonomische Einheiten gebundenen Verfahrens zur ökologischen
Bewertung von Störungen. Dies ist insbesondere für Drittwelt-
und Schwellenländer bedeutend, in welchen oft nur fragmentarische floristische
Datengrundlagen vorliegen.
Die derzeitigen Veränderungen in der Biosphäre betreffen u.a.
das Klima, die Stoffeinträge, die Kapazität und Wirkung von Vektoren,
die Verbreitung von Nutzungsformen und die Intensität der Landnutzung.
Es ist zu erwarten, dass diese Vorgänge Veränderungen räumlicher
Diversitätsstrukturen zur Folge haben werden (PETERS 1994, REID 1994,
PIMM et al. 1995, GOTTFRIED et al. 1999, LAVOREL 1999). Es werden daher
Methoden benötigt, die eine quantitative Charakterisierung solcher
Veränderungen mit möglichst geringem Aufwand erlauben.
Die geplanten Untersuchungen sollen die Grundlage für zukünftige Vergleichsuntersuchungen legen und so der Abschätzung der Folgen von Landnutzungsveränderungen auf verschiedenen Maßstabsebenen dienen. Die entwickelten Methoden sollen allgemein einsetzbar sein und auch in anderen Räumen ein pragmatisches Vorgehen im Biodiversitätsmonitoring ermöglichen. Dabei stehen weniger die vollständige Erfassung der phylogenetischen Vielfalt eines Gebietes als die Kriterien Repräsentativität und Funktionalität im Vordergrund.
Als Hypothesen werden formuliert:
- Störungen in Form von anthropogener Nutzung wirken differenzierend auf die räumliche Organisation der quantitativen Vielfalt von Ökosystemen.
- Räumliche Muster der qualitativen Vielfalt (beta-Diversität) können unter Berücksichtigung der Standorteigenschaften durch Störungseinflüsse interpretiert werden.
- Die Vielfalt funktioneller Gruppen (PFTs) steht in engerer Beziehung
zu räumlichen Mustern der Standorteigenschaften und Nutzungseinflüsse
als die Vielfalt von Pflanzenarten und kann somit zur Charakterisierung
qualitativer Vielfalt besser genutzt werden.
Arbeitsprogramm
Der Ansatz ist das hierarchisch genestete Sampling. Es wird erwartet, dass die hierarchische Schachtelung von Aufnahmeflächen den Maßstab erkennen lässt, bei dem Diversitätsveränderungen auf Grund von Störungen emergent werden. Über den Vergleich gestörter und ungestörter Flächen besteht die Chance der Wertung von Störungen bezüglich ihres Beitrages zur Biodiversität. Dabei sollen auch die Möglichkeiten des Einsatzes von nicht taxonomisch determinierten Hilfsmitteln (plant functional types) zur Erklärung von Diversität untersucht werden.
Gefundene Muster werden in Bezug zu Störungsereignissen und Standorteigenschaften
gebracht. Die Verschneidung von topografischem Raum, Biodiversitätseigenschaften
sowie Umwelt- und Störungsregimes erfolgt mit Hilfe eines geographischen
Informationssystems (GIS). Konvergente Tendenzen der Datenverläufe
der Ähnlichkeitsräume können belegt und statistisch analysiert werden.
Der Vergleich unterschiedlich gestörter Flächen (vgl. THIOLLAY
1997, ESTRADA 1998, SVENNING 1998, NIEMELÄ et al. 2000) entlang eines
Gradienten (vgl. VASCONCELOS 1999, VETAAS 1997) soll eine Bewertung des
Beitrages von Störungen zur Biodiversität ermöglichen. Wir
erwarten, dass die hierarchische Schachtelung von Untersuchungsplots (hierarchisch
genestetes Sampling) den Maßstab (bzw. die Körnung) erkennen
lässt auf dem durch Landnutzungsveränderungen bedingte Diversitätsveränderungen
deutlich werden. Zur Beurteilung des Einsatzes von nicht taxonomisch determinierten
Hilfsmitteln zur Erklärung biotischer Diversität werden neben
Pflanzenarten auch Plant Functional Types erfasst.
Der Einfluss des Nutzungsdrucks auf die alpha- und beta-Diversität
der Feldschicht von Waldökosystemen wird betrachtet. An der Stufe von
Debdou (Marokko) spielen Beweidung und ungeregelte Holzentnahme sowie zahlreiche
Nebennutzungen eine prägende Rolle.
Untersuchungsgebiet
Bruchstufe von Debdou/Marokko
Das Untersuchungsgebiet befindet sich an der Bruchstufe von Debdou am Rande der ostmarokkanischen Hochplateaus, etwa 100 km von der algerischen Grenze entfernt bei etwa 34 Grad N und 3 Grad W. Durch die orografisch günstige Lage und die dadurch begründete relative Klimagunst stockt auf dieser Bruchstufe zwischen den Steppenökosystemen der Hochplateaus und jenen des Moulouya-Tales eine Waldenklave als letzter isolierter Vorposten mediterraner Hartlaubgehölze. Während in den unteren Hangbereichen hauptsächlich schüttere Tetraclinis articulata-Wälder anzutreffen sind, wird die Vegetation der höheren Hanglagen von Quercus ilex-Wäldern aufgebaut. In diesem Großraum mit jeher nomadischer Lebensweise zeigte die Bevölkerung privilegierter Gebiete schon lange Neigung zur Sesshaftigkeit, zumindest zum Semi-Nomadismus. Die traditionelle Wirtschaft stützt sich auf Schaf- und Ziegenzucht. Waldweide ist ein wichtiger Faktor der lokalen Wirtschaft. Von den festen Siedlungen der bewässerten und durch Feldbau genutzten Pedimentflächen aus werden die Tiere in die Hangwälder zur Weide gebracht. Daraus folgt ein hoher Nutzungsdruck auf die Vegetation.
Publikationsliste dieses Projekts
Jurasinski, G; Beierkuhnlein, C: Spatial Patterns of Biodiversity - Assessing Vegetation Using Hexagonal Grids, Biology and Environment - Proceedings of the Royal Irish Acadamy, 106B(3), 401-411 (2006) [Link] -- Details |
Jurasinski, G; Beierkuhnlein, C: Räumliche Muster der Biodiversität und Störungsregimes in den Subtropen und Tropen. In Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Treffpunkt Biologische Vielfalt II - Interdisziplinärer Forschungsaustausch im Rahmen des Übereinkommen in Bundesamt für Naturschutz, Bonn: Treffpunkt Biologische Vielfalt (2002) -- Details |