Süßstoffe und Verweilzeiterkundung – Ausschlusskriterium und Rettung einer Mineralwassererschließung

Uwe Hekel1, Stefanie Wolf1
1 Fachbereich Grundwasser, HPC AG

P 11.1 in Verweilzeiterkundung in Grundwasserleitern mittels Tracern und Grundwasseraltern

Süßstoffe wie Saccharin, Acesulfam, Aspartam, Cyclamat und Sucralose sind verbreitet Bestandteil von Nahrungsmitteln und Süßgetränken. Da sie im menschlichen Körper kaum absorbiert und abgebaut werden, treten sie in Größenordnungen von 100 µg/l im häuslichen Abwasser auf. Somit sind Süßstoffe neben Medikamentenrückständen häufig genutzte Indikatoren für Abwassereinflüsse im Grundwasser.

Bei einem einjährigen Pumpversuch stellten Saccharingehalte um 0,1 µg/l die natürliche Geschütztheit eines Mineralwasservorkommens in Frage und waren damit ein Ausschlusskriterium im Wasserrechts- und Anerkennungsverfahren. Die Suche nach einer Erklärung, die einen Abwassereinfluss ausschließt, gestaltete sich zu einer spannenden forensischen Aufgabe.

Dabei waren zu berücksichtigen:

- stark variierende Saccharingehalte, häufig unterhalb bis vereinzelt ca. 100-fach über Bestimmungsgrenze
- sonstige Süßstoffe in allen Proben unterhalb Bestimmungsgrenze
- vorwiegend extensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung im Einzugsgebiet
- kleine Flächen mit dörflicher Siedlungsstruktur

Da Süßstoffe immer in Mischung verwendet werden, machte das alleinige Auftreten von Saccharin am meisten Kopfzerbrechen. Eine schlüssige Erklärung konnte aus der Entwicklungsgeschichte der Süßstoffe abgeleitet werden: Nach der Zulassung begann die breitere Verwendung von Saccharin in Deutschland vor ca. 100 Jahren im Zuge des 1. Weltkriegs mit bis zu 300 t/a. Weitere Süßstoffe wurden erst nach 1963 entwickelt bzw. in Deutschland zugelassen.

Recherchen ergaben, dass eine Ortskanalisation erst im Jahr 1933 gebaut wurde. Zuvor wurden häusliche Abwässer versickert oder mit der Gülle auf die Äcker ausgebracht. Damit bestand über ca. 15 Jahre ein Zeitfenster für einen flächenhaften Saccharineintrag ins Grundwasser. Somit waren die heute festgestellten Gehalte einem historischen Eintrag ohne rezente Quelle zuzuordnen.

Bestätigen ließ sich diese Annahme durch Grundwasseraltersanalysen mittels Tritium und SF6. Danach setzt sich das geförderte Grundwasser zu ca. 40% aus einer älteren (tritiumfreien) Komponente von mind. 70 Jahren und zu ca. 60 % aus einer jüngeren Komponente mit einer mittleren Verweilzeit von ca. 20 Jahren zusammen.

Als Plausibilitätsprüfung wurde mittels eines Exponentialmodell der Konzentrationsverlauf im Grundwasser für ein 15-jähriges Eintragsszenario in den 1920/30er Jahren mit einer aus dem damaligen Saccharinverbrauch abgeschätzten Input-Fracht berechnet. Die berechnete heutige Konzentration liegt demnach im Bereich der tatsächlichen Befunde.

Damit konnten Abwassereinflüsse als Ursache für die anfänglichen Saccharingehalte ausgeschlossen werden. Nach einigen Monaten Pumpzeit nahmen die Saccharingehalte ab und lagen zuletzt sämtlich unter der Nachweisgrenze. Dies bestätigte, dass die alte, saccharinhaltige Grundwasserkomponente mit der Zeit abgefördert wurde. Somit stand der Anerkennung als Mineralwasser nichts mehr im Wege.

Ermittlung der Grundwasseraltersstruktur
Ermittlung der Grundwasseraltersstruktur