Der Auftakt des vom Projekt Aquaklif im Rahmen der Bayerischen Netzwerks für Klimaforschung organisierten Dialogforums „Wasserkontroversen“ fand am 20. Mai im hybriden Format statt. Bei der Podiumsdiskussion diskutierten vier Fachleute im Audimax der Universität Bayreuth und zwei zugeschaltete Podiumsgäste aus den Perspektiven von Forschung, Wasserwirtschaft, Landwirtschaft und Naturschutz zum Themenkomplex „Niedrigwasser in Bächen und Flüssen“. Das Interesse war mit über 120 Teilnehmenden an den Bildschirmen auch über Bayern hinaus durchaus beachtlich. Die Zahl der Publikumsfragen sprengte dann auch den zeitlichen Rahmen - nichtsdestotrotz wurden kontroverse Punkte wie übereinstimmende Sichtweisen der sechs Expertinnen und Experten deutlich.
Die Grundwasserstände sind in den letzten 20 Jahren fast überall in Bayern gesunken. Eine Umkehr dieses Trends ist nicht abzusehen, im Gegenteil: Bei höheren Temperaturen verdunstet mehr Wasser, und insbesondere die Regenmengen im Winterhalbjahr, aus denen sich die Wasservorräte im Grundwasser wieder auffüllen, scheinen in den letzten Jahren abzunehmen. Das zeigt sich in häufigeren Niedrigständen an den Pegeln von Flüssen und Bächen und an Quellen und Oberläufen, die in den trockenen Sommern der letzten Jahre teils trockenfielen. Mit diesem Lagebericht führte Hydrologe Prof. Stefan Peiffer von der Universität Bayreuth ins Thema ein.
Neben der Faktenlage fühlen sich viele Menschen den Bächen und Flüssen ihrer Heimatorte auch emotional verbunden – so erzählte Podiumsgast Dr. Martin Mörtl vom Wasserwirtschaftsamt Hof exemplarisch, dass er schon seit seiner Jugend die Bäche und Flüsse kennt, für deren Schutz er heute arbeitet. Eine ähnliche Verbundenheit spürte man auch bei vielen der Zuhörenden.
Das seit jeher niederschlagsärmere Franken ist Vorreiter darin, vorauszudenken in die noch wasserärmere Zukunft. Etabliert ist die Überleitung von Wasser aus dem Süden Bayerns in den Norden. Diese wird auch im „Alarmplan Main“ erfolgreich genutzt, um den Wasserstand aufzuhöhen, wie Eva-Barbara Meidl aus dem Sachgebiet Wasserwirtschaft an der Regierung von Unterfranken ausführte. Viele Wassernutzer seien bereits sensibilisiert und aufgeschlossen, mit anzupacken. Dies reiche vom Kraftwerksbesitzer Uniper, der das Mainwasser per Turbine mit Sauerstoff anreichert, bis zu den Urlaubern am Brombachsee, die Verständnis zeigen, wenn im See „Ebbe herrscht“, da sein Wasser fürs Auffüllen von Rednitz, Regnitz und Main gebraucht wird.
Prioritär ist in Niedrigwassersituationen bisher nur die Versorgung mit Trinkwasser – ob dann die landwirtschaftliche Bewässerung, die Energieerzeugung durch Wasserkraft oder der Schutz der Ökosysteme im Fließgewässer Vorrang hat, wird zukünftig vermehrt Thema sein. Ebenso werden wir entscheiden müssen, welche Kulturen - vom Gemüse bis hin zum Wein - bewässert werden, äußerte sich Bäuerin Isabella Hirsch von der Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Landwirtschaft. In allen diesen Einzelentscheidungen sowie in den Verboten und Förderanreizen seitens der Politik dazu steckt Konfliktpotential. Deutlich wurde dies im Schlagabtausch zur Rolle der kleinen Wasserkraft in Niedrigwassersituationen, der sich parallel zur Podiumsdiskussion im Chat entspann.
Um nicht nur akute Symptome zu behandeln, sondern vorbeugend an den Ursachen anzusetzen, muss mehr Wasser in der Fläche gehalten werden. Nur so kann mehr davon in den Boden versickern statt abfließen, im Boden bleiben statt verdunsten und letztendlich die Grundwasservorräte auffüllen. Einige Wege dorthin hätten gleich vielfache Vorteile – so dienen renaturierte, extensiv bewirtschaftete Auen als Wasserspeicher in Niedrig- wie auch in Hochwassersituationen und als Lebensräume für bedrohte Arten. Fördert man den Wasserrückhalt in der Fläche durch entsprechende Anbaumethoden, so schützt dies sowohl die Böden vor Erosion als auch das Klima, da Humus aufgebaut und die Mineralisation organischer Substanzen herabgesetzt wird, wie Prof. Jürgen Geist vom Lehrstuhl Aquatische Systembiologie der Technischen Universität München in Freising erläuterte.
Viele der Maßnahmen, die helfen, Niederschlagswasser in der Fläche zu halten, laufen lange geltenden Entwicklungen hin zu einer immer effektiver arbeitenden Landwirtschaft entgegen. Kleinteiligere Feldstrukturen mit Hecken, Baumreihen und Feuchtgebieten, die bereits gesetzlich vorgeschriebenen Gewässerschutzstreifen, der Rückbau von Drainagen und ein gezielt Humus aufbauendes Bewirtschaften der Felder erfordern ein Umdenken. Hier entzünden sich die Konflikte an der Nutzung von endlich vorhandener Fläche - und dem finanziellen Ausgleich von Verlusten bei ihrer vorrangigen Nutzung in Sachen Wasserspeicherung.
Ob nun in Trockenperioden jede gefüllte Stauanlage, jeder Teich und jeder Mühlgraben mit Restwasser fürs Überleben der Bachbewohner wirklich hilfreich ist, darüber kann trefflich gestritten werden. Hydrogeologe Prof. Johannes Barth vom Geozentrum der Universität Erlangen betonte gleich eingangs, dass für die aquatischen Lebensgemeinschaften nicht nur die Quantität des Wassers entscheidend ist, sondern genauso dessen Qualität. Sinkt beispielsweise der Sauerstoffgehalt - gerade im Zusammenspiel mit erhöhten Nährstoffgehalten - in sich erwärmendem Wasser zu weit ab, so kann ein Fließ- oder Stillgewässer zur lebensfeindlichen Zone werden.
Im Hintergrund der Diskussion stand ein ganz grundsätzlicher Konflikt: Wissen wir längst genug, wie Sebastian Schönauer vom Bund Naturschutz gleich zum Einstieg konstatierte, und sollten nun einfach endlich handeln? Damit wäre die im Grußwort von Ministerialrätin Frauke Preißinger vom Wissenschaftsministerium genannte dritte Säule des Bayerischen Klimaanpassungskonzepts, in deren Rahmen auch das Bayerische Netzwerk für Klimaforschung (bayklif)) gefördert wird, obsolet und diese Dialogveranstaltung hätte nicht stattgefunden.
Ähnlich wie sich „Klimaschutz“ versus „Klimaanpassung“ heute nicht mehr gegeneinander abwägen lassen, ist auch hier beides notwendig: In vielen Aspekten des Gewässerschutzes wissen wir bereits genug, um zu handeln, und es hapert dort eher an Interessenskonflikten bei der Umsetzung. Andererseits bringt der Klimawandel nie dagewesene Situationen für unsere Bäche und Flüsse - deren Auswirkungen inklusive möglicher Kipppunkte lassen sich nur mit Hilfe der Forschung sinnvoll abschätzen.
Einig waren sich die Podiumsgäste, dass die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte konstruktiv nur in einer fach- und ressortübergreifenden Anstrengung bewältigt werden können. Ein Paradigmenwechsel vom reinen Wassermanagement hin zu einem ganzheitlichen Wasserbedarfsmanagement ist notwendig, um die vielfachen Nutzungsansprüche in Einklang mit der Wasserverfügbarkeit zu bringen - widerspiegeln sollte sich das auch in der Organisation der Verwaltungsstrukturen. In diesem Sinne wurde das multi-perspektivische Format der „Wasserkontroversen“ von vielen Seiten gelobt und soll fortgesetzt werden.
Den vermeintlichen Gegensatz aus Vor-Pandemiezeiten hat die Diskussion durch das „hybride Format“ aufgelöst. Ein Großteil des Podiums kam an der Universität Bayreuth zusammen - am „schönsten Campus Deutschlands“ – wie Präsident Prof. Stefan Leible im Videogrußwort zu erwähnen nicht vergaß. Trotz sinkender Inzidenzzahlen in Bayreuth waren an der Universität Veranstaltungen mit Vor-Ort-Publikum noch nicht wieder möglich. Gut 120 Teilnehmende und zwei Podiumsgäste waren über die Online-Konferenzplattform „Zoom“ mit im Boot, was vielen nach eigenen Angaben die Teilnahme erst ermöglichte.
Den Austausch vor Ort mit der Teilnahme aus der Ferne zu verbinden, könnte - trotz mancher kommunikativer und technischer Klippen - ein zukunftsträchtiges Format sein, da es die Reichweite für Interessierte erhöht und vorsorgt für die Unwägbarkeiten des Reisens und der Präsenz während einer Pandemie, sowie darüber hinaus.
Text: Dr. Birgit Thies, AquaKlif Praxisdialog
Bilder: Screenshots des Zoom-Regiestreams im Audimax - Dr. Julienne Schweiger,
Foto Podium - Dr. Verena Faßold
Mit herzlichem Dank an das IT Servicezentrum der Universität Bayreuth
für die technische Unterstützung.