In der zweiten Veranstaltung des Dialogforums „Wasserkontroversen“ ging es um Schutz und Nutzung von Quellen. Die Diskussion der Fachleute aus Forschung und Praxis fand am 19. Oktober im Online-Format statt, ergänzt durch zwei Exkursionsangebote. Gut 60 Interessierte verfolgten die Diskussionrunde, die einen weiten Bogen spannte - von den Auswirkungen des Klimawandel auf das Leben in Quellbiotopen bis hin zur Zukunft der Trinkwasserversorgung bei sinkenden Grundwasserständen aus lokalen Quellen oder zentral aufbereitetem Talsperrenwasser.
Zur Online-Diskussion eingeladen waren je zwei Vertreter aus Wissenschaft und Praxis. Die in der Vorstellungsrunde genannten persönlichen „Lieblingsquellen“ spiegelten ihre Wirkungsbereiche wieder.
Für Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein vom Lehrstuhl für Biogeografie an der Universität Bayreuth haben Quellen - wie die in Fontaine-de-Vaucluse - auch eine philosophisch-mythische Dimension. Im Impulsvortrag konzentrierte er sich auf Quellbiotope als besondere Lebensräume und silikatische Quellen als „natürliches Forschungslabor“. Anhand von Daten des Bayerischen Landesamts für Umwelt zeigte er die regional unterschiedliche Bedeutung von Quellen für die Trinkwassergewinnung, und das seit Jahren zu beobachtende Defizit bei der Grundwasserneubildung.
Quellen können als wertvolle „Wächter“ zur Grundwasserlage im Einzugsgebiet betrachtet werden - und dort sind die eigentlichen Kontroversen auszufechten: Wie bewirtschaften wir den Landschafts-Wasserhaushalt so, dass die Grundwasserstände nicht weiter absinken? Wie lässt sich verhindern, dass problematische Stoffe ins Grundwasser gelangen? Ein wirksamer Schutz der Quellen müsse laut Carl Beierkuhnlein in der Fläche stattfinden, die frühere Flurbereinigung umgekehrt werden - und sei es um den Preis, Landwirte fürs "Nichtstun" auf sensiblen Feuchtflächen zu bezahlen. In der Summe nutze der so gewonnene Schutz des Wasserhaushalts und die zusätzliche Kohlenstoff-Fixierung der Gesellschaft mehr.
Im Kern geht die Kontroverse hier - wie schon bei den ersten Wasserkontroversen zu Niedrigwasser-Thematik deutlich wurde - um eine sich verschärfende Flächenkonkurrenz: für Nahrungsmittelproduktion, Bebauung, Trinkwasserschutz, Grundwasserneubildung, Arten- und Naturschutz bis hin zur regenerativen Energieerzeugung stehen nur begrenzte Flächen zur Verfügung. Viele Wasserrechtsverfahren hängen deshalb in Bayern in der Luft.
Als "Lieblingsquellen" nannte Markus Rauh die Ursprünge des Tschirner und Nordhalbener Ködel, die als relativ kleine Zuflüsse die gesamte Ködeltalsperre füllen. Die Fernwasserversorgung Oberfranken FWO bietet im vergleichsweise wasserarmen Norden Bayerns vielen Kommunen ein weiteres Standbein, wenn die Wassermenge von Trinkwasserquellen oder -brunnen nicht mehr auszureichen droht, oder sich die Qualität des geförderten Wassers nicht mehr garantieren lässt. Der FWO-Verbandsdirektor und Werkleiter machte deutlich, dass hier ein Spannungsfeld besteht: zwar hat die ortsnahe Versorgung mit Trinkwasser in Bayern Vorrang, ist aber in der kleinteilig organisierten bayerischen Wasserwirtschaft an manchen Orten mitunter dauerhaft nicht wirtschaftlich umsetzbar. Hier biete ein größerer Versorger Sicherheit: das Stauziel der Ködeltalsperre wurde nach den trockenen Sommern im dafür relevanten Winterhalbjahr bis zum nächsten Frühjahr immer erreicht. Erst mehrere aufeinanderfolgenden trockene Halbjahre würden hier zu Schwierigkeiten führen - trockene Winter sagen die Klimaszenarien für Oberfranken nicht vorher. Und auch die Fernwasserversorgung setzt neben dem Talsperrenwasser mit Trinkwasserquellen im Kulmbacher Umland auf weitere Standbeine bei der Wassergewinnung.
Als Beauftragte für den Quellschutz beim bayerischen Naturschutzverband LBV kennt Eva Schubert eine Vielzahl von Quellen aus ihrer Arbeit - ihre namenlose Lieblingsquelle liegt verborgen in der Rhön. Quellen sind gesetzlich geschützte Biotope: mit trocken fallenden oder durch Wegebau und Entwässerung zerstörten Quell-Lebensräumen verschwindet Einzigartiges, denn auf diese Habitate spezialisierte Tiere und Pflanzen leben quasi wie auf Inseln in unserer Landschaft.
Im direkten Quell-Umfeld setzen Renaturierungsmaßnahmen an: es werden frühere Strukturen wiederhergestellt, Rohre und Fassungen soweit zurückgebaut, dass Grundwasser und Quellbach wieder im Austausch miteinander stehen - danach heißt es abwarten, dass die neuen alten Strukturen wieder von "Quellspezialisten" besiedelt werden.
Renaturierung sollte dabei nicht mit Verschönerung gleichgesetzt werden. Natürliche Quellaustritte sind oft eher unscheinbar und ihre Lebensräume gleichzeitig sensibel – anders als bei gefassten Quellen ist es nicht zielführend, solche Orte touristisch „auszuschlachten“. Es gilt, natürliche und naturnahe Quellhabitate bestmöglich vor negativen Einflüssen zu schützen, denn hier gibt es schwer Wiederbringliches zu verlieren und andererseits obsolet gewordene alte Quellfassungen zurückzubauen, denn dabei kann die Natur nur gewinnen.
Hydrogeologe Prof. Johannes Barth vom GeoZentrum Nordbayern an der Universität Erlangen-Nürnberg hat an seiner Lieblingsquelle, der Wiesentquelle in der Fränkischen Schweiz, schon selbst geforscht. Ihn interessiert die Wasserqualität von Grundwasser, Quellen und Fließgewässern. Insbesondere im klüftigen Kalkgestein ist der Zusammenhang zwischen oberirdischem Wasseraustritt und die Quelle speisenden Grundwasserströmen nicht einfach zu verstehen - mit sogenannten Tracern kann man verborgenen Fließwegen auf die Spur kommen, und mit speziellen Isotopen-Messungen nachvollziehen, welche Prozesse im Wasser ablaufen. An Karstquellen haben Forschende untersucht, wie sich die Wasserchemie nach dem Quellaustritt verändert. Tatsächlich gast hier auf den ersten Metern eine erhebliche Menge Kohlendioxid aus dem Quellwasser aus - dies allerdings schon seit eh und je, weshalb diese Frage eher wissenschaftlich interessant als relevant für den Klimaschutz ist.
Einig war sich die Runde, dass das Thema Wasser gute Chancen bietet, tatsächlich bei den Menschen anzukommen: die existenzielle Abhängigkeit vom Wasser macht Bürgerinnen und Bürger für die Problematik zugänglich. In vielen Gemeinden wird emotional über die zukünftige Trinkwasserversorgung wie auch über den Hochwasserschutz diskutiert.
Es lohnt sich nach Markus Rauh, wenn Wasserversorger sich heute Gedanken machen, Förderchancen ergreifen und die Weichen für die Zukunft stellen, in der das Wasser wohl oft aus einem Mix von Eigen- und Verbundversorgung stammen wird. Im "Wasserpakt Bayern" sah er eine mögliche Plattform mit sektoraler Verzahnung und Breitenwirkung - am Tag nach der Podiumsdiskussion wurde denn auch der Bericht der Expertenkommission "Wasserversorgung in Bayern" veröffentlicht.
Carl Beierkuhnlein vermutete, dass es für eine bessere Kommunikation zwischen den teils gegeneinander arbeitenden Ressorts viel helfen könnte, wenn die Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt von ein und derselben Partei geführt würden. Johannes Barth merkte an, dass die komplexen Wasserschutz- und Wasserhaushaltsfragen das Kommunizieren über gewohnte Fachgrenzen hinweg erfordert, wofür in den Ämtern entsprechende Stellen vorgesehen werden sollten. Im Gedächtnis bleiben nach 90minütiger Diskussion die Quellen als gern übersehene, stumme "Wächter" über im Untergrund ablaufende Veränderungen im Wasserhaushalt, die uns alle direkt und täglich angehen.
Für die Teilnehmenden der ersten Exkursion gab es ein ganzes Spektrum an Quellen zu besichtigen: von der historisch bedeutsamen und heute mit Tassen zum Kosten ausgestatteten „Trinkwasserquelle“ über naturnahe Wasseraustritte in Wald und Wiese bis hin zu einer ehemals gefassten, dann aufgegebenen und nun unter Federführung des LBV renaturierten Quelle.
Die Exkursionsleiter gestalteten die Sache spannend: Eva Schubert berichtete anschaulich von der Besonderheit der Kalktuffquellen in der Fränkischen Schweiz, von den konkreten Renaturierungsarbeiten und dem breiten Engagement des LBV in Sachen Quellschutz. Prof. Johannes Barth von der Universität Erlangen-Nürnberg ließ die Gäste selbst Hand anlegen und zeigte so, welche wasserchemischen Parameter in Quell- und Bachwasser im Freiland gemessen werden und was dabei zu beachten ist. Die Exkursion brachte eine Gruppe mit verschiedensten Hintergründen zusammen, mit regem Austausch auf den Wegen und an den Stationen und leuchtendem Herbstwald im Hintergrund.
Im Wasserwerk Rieblich der Fernwasserversorgung Oberfranken erklärte Ingenieur und Sachgebietsleiter Michael Vokal einer interessierten Gruppe anschaulich die Geschichte und heutige Situation von Talsperre, Wasseraufbereitung und -verteilung. Wer wollte, konnte das vor Ort aufbereitete Trinkwasser kosten. Die Teilnehmenden erfuhren mehr über die einzelnen Aufbereitungsstufen sowie über die enorme Pumpleistung, die nötig ist, um das Wasser zu den Zielorten zu bringen. Es war spannend zu sehen, wie eine der modernsten Trinkwasseraufbereitungsanlagen in Deutschland und „kritische Infrastruktur“ betrieben wird.
Viele machten im Anschluss noch einen Abstecher zur vom Wasserwirtschaftsamt Hof betriebenen Talsperre Mauthaus, um das geschützt im tief eingeschnittenen Ködel-Tal liegende Wasserreservoir für Oberfranken selbst in Augenschein zu nehmen.
Text: Dr. Birgit Thies, AquaKlif Praxisdialog
Bilder: Screenshots der Zoom-Session von Nathalie Moske-Guhr,
Fotos Exkursionen von Teilnehmenden zur Verfügung gestellt - herzlichen Dank!