Infraschall im Auto (Turbodiesel)

Auf der Seite Infraschall im Auto wurde bereits gezeigt, dass Infraschalldrücke im PKW Innenraum sehr hoch sein können. Dies ist einfach der Tatsache geschuldet, dass man sich in einem relativ luftdichten Raum aus Blech befindet. Wird dieses Blech bewegt, kommt es unweigerlich zu Schwingungen, die die Luft im Innenraum komprimieren und entspannen. Bei einem Luftdruck von 100.000Pa genügt eine Volumenänderung von 1/100.000, um eine Druckamplitude von 1Pa zu erzeugen. Dies entspricht einem Schalldruckpegel von 91dB re 20µPa.

Die erste Infraschallmessung wurde in einem Elektro-Smart durchgeführt. Jetzt erfolgte eine zweite Messung in einem Ford Fokus Turnier TDCi (Dieselmotor 116PS, Bj 2011). Der Diesel kommt in unserer Familie nur noch für längere Strecken zum Einsatz. Über das Wochende 14.-16. August haben wir mit den Kindern die Verwandten in Hessen besucht. Und es gibt durchaus ein paar interessante Ergebnisse!

Zwei Messgeräte

Da in einem PKW ein verhältnismäßig großer Lärmpegel herrscht, wurden gleich zwei Infraschallgeräte im Kofferraum direkt hinter der Rückbank platziert. Das eine Messgerät wurde mit der Standardmessfrequenz 42.666Hz und 14bit Auflösung betrieben. Das zweite Messgerät hatte eine Messfrequenz von 64Hz und 13bit Auflösung. Dies hat den Hintergrund, mögliche Aliaseffekte besser bewerten zu können (vgl. Alias-Effekt). Der Kofferraum hatte keine Abdeckung zum Fahrgastraum.

Gesamtspektrogramm

Die folgende Abbildung zeigt das Gesamtspektrogramm des Wochenendes. Die Messgeräte wurden das ganze Wochenende durchgehend betrieben, ohne die Position zu verändern.

GesamtspektrogrammAbbildung 1: Spektrogramm von Messgerät eins mit Messfrequenz 42,6666Hz. Die Messgeräte waren das ganze Wochenende im Kofferraum des Ford Focus Turnier. Der Kofferraum hatte keine Abdeckung zum Fahrgastraum.

Die Autofahrzeiten sind kaum zu übersehen. Es gibt ein leuchtendes Band von ca. 3,5h am Anfang und ein leuchtendes Band mit der gleichen Zeitdauer am Ende. Das sind Hin- und Rückfahrt. Darüber hinaus gibt es noch ein paar Kurzstrecken am Samstag. Ich weise auf die Farbskala hin. Bei Darstellung der Infraschallsignale der Windräder (vgl. Messkampagne Windrad Harsdorf 05/2020) verwende ich eine Skala von 10-50dB. Hier reicht die Skala von 20-100dB. Schon daran ist zu erkennen, dass man im Innenraum von PKWs Infraschallleistungen ausgesetzt ist, die um Größenordnungen höher sind als die Schallleistungen in der Nähe von Windenergieanlagen. 50dB Unterschied entsprechen einem Leistungsfaktor von 100.000. Ich kann besorgte Leser jedoch schon an dieser Stelle beruhigen. Alle Insassen haben die Fahrten ohne erkennbare Schäden überlebt ;-).

Hinfahrt, Freitag 14.08.2020

Wir wollen uns die Hin- als auch die Rückfahrt etwas genauer anschauen:

Hinfahrt 14.08.2020

Abbildung 2: Spektrogramm der Hinfahrt von Messgerät eins (Messfrequenz 42,6666Hz)

 Die Hinfahrt startet kurz nach 18.10 Uhr. Die Linien davor kommen durch Öffen und Schließen von Türen. Am Anfang der Fahrt waren noch Fenster geöffnet (hellere Streifen im Bereich 10-20Hz). Um ca. 18.20 fuhren wir auf die A70 auf. Die typische Reisegeschwindigkeit auf der Autobahn betrug 120km/h. Mit der Auffahrt auf die Autobahn wurden die Fenster geschlossen. Der dunkle Streifen um kurz vor 19.30 Uhr ist ein Tank- und Fahrerwechselstopp beim Autohof Werneck, der dunkle Streifen um 20.15 Uhr ein Stau auf der A3. Um kurz nach 21.30 Uhr ist das Ziel erreicht. 

Das Frequenzspektrum der beiden Messgeräte ist in der nächsten Grafik zu sehen:

Frequenz-Spektrum Hinfahrt

Abbildung 3: Frequenzspektrum der Hinfahrt der beiden unabhängigen Messgeräte. Die y-Achsenbeschriftung "Lautstärke" wurde als allgemeinverständlicher Begriff gewählt. Wissenschaftlich korrekt wäre "Schalldruckpegel". Die Pegel wurden über ein gleitendes Fenster mit 50% Überlappung und mit RMS-Mittelung berechnet. Die Pegelbandbreite beträgt 0,05Hz.

Man erkennt, dass die beiden Messgeräte eine sehr gute Übereinstimmung zeigen. Große Aliaseffekte sind nicht zu beobachten.

Rückfahrt, Sonntag 16.08.2020

Beginnen wir wieder mit dem Spektrogramm:

Rückfahrt, 16.08.2020

Abbildung 4: Spektrogramm der Hinfahrt von Messgerät eins (Messfrequenz 42,6666Hz)

Die Rückfahrt beginn um 10.30 Uhr. Nach wenigen Kilometern sind wir auf der A3. Interssant ist das dunklere Band zwischen 11.30 und 11.40 Uhr. Um 11.30 Uhr leuchtete plötzlich die Kontrollleuchte Motorstörung auf. Das kommt leider ab und zu bei unserem Fahrzeug vor, wohl auch, weil es nicht so oft bewegt wird. Bei Motorstörung geht der Motor in ein Notprogramm mit deutlich reduzierter Leistung. Die Reisegeschwindigkeit von 120km/h kann auch im Notlauf weitgehend eingehalten werden. Um die Motorstörung zu beenden, muss man kurz anhalten und den Motor neu starten. Dies ist um 11.40 Uhr auf einem Rastplatz erfolgt. Kurz nach 12.00 Uhr verlassen wir die A3 und fahren auf der B19 durch Würzburg. Dabei kommt es zu einem Ampelhalt (ca. 12.14 Uhr). Um 12.40 Uhr ist auf dem Autohof Werneck ein kurzer Fahrerwechselstopp. Um 13.40 Uhr verlassen wir die A70 und müssen an der Ampel halten. Der letzte dunkle Streifen ist ein Halt an der Bahnschranke in Harsdorf.

Die nächste Grafik zeigt wieder das Frequenzspektrum. Neben den beiden Messgeräten ist zusätzlich noch das Frequenzspektrum von der Elektro-Smart-Fahrt (vgl. Infraschall im Auto) geplottet.

Vergleich Verbrenner - Elektro

Abbildung 5: Frequenzspektrum der Rückfahrt der beiden unabhängigen Messgeräte. Die y-Achsenbeschriftung "Lautstärke" wurde als allgemeinverständlicher Begriff gewählt. Wissenschaftlich korrekt wäre "Schalldruckpegel". Als Vergleich ist eine Messung von einer Fahrt in einem Elektro-Smart dargestellt. Die Pegel wurden über ein gleitendes Fenster mit 50% Überlappung und mit RMS-Mittelung berechnet. Die Pegelbandbreite beträgt 0,05Hz.

Ganz eins zu eins vergleichbar sind die zwei Fahrten nicht. Beim Diesel handelt es sich überwiegend um eine Autobahnfahrt bei 120km/h und geschlossenen Fenstern, beim Smart um eine Überlandfahrt mit ca. 90km/h bei leicht geöffneten Fenstern. Trotzdem zeigen sich beim Diesel ganz offensichtlich erhöhte Infraschallpegel - inbesondere im Bereich zwischen 3 und 8Hz. Das ist auch der Hauptemissionsbereich der Windräder. Aber ich will den Diesel nicht schlecht machen. Während der Motorstörung (siehe oben) verschwinden diese erhöhten Pegel und der Diesel kommt sogar leicht unter das Elektroauto:

Diesel - Motorstörung

Abbildung 6: Frequenzspektrum der Rückfahrt während der Motorstörung im Vergleich zu Normalbetrieb sowie Elektro-Smart. Die Messungen erfolgten mit einer Messfrequenz von 42,6666Hz. Die y-Achsenbeschriftung "Lautstärke" wurde als allgemeinverständlicher Begriff gewählt. Wissenschaftlich korrekt wäre "Schalldruckpegel". Die Pegel wurden über ein gleitendes Fenster mit 50% Überlappung und mit RMS-Mittelung berechnet. Die Pegelbandbreite beträgt 0,05Hz.

Das bedeutet, die hohen Immissionen auf die Fahrgäste im Bereich 3-8Hz sind im Zusammenspiel von Auspuffanlage, Turbo und Motor begründet. Im Notbetrieb ohne Turbo sind die Immissionen bis zu einem Faktor 10 niedriger! Das ist pikant, denn das heißt, unser Diesel ist im Infraschallbereich nicht immissionsoptimiert. Um die angegebene Leistung zu erzielen, wurde vom Hersteller ein bis zu 10fach höheres Infraschallniveau im Frequenzbereich um 5Hz in Kauf genommen ;-).Tatsächlich ist dies natürlich kein Problem. Man kann von Hör-(und Fühl-)empfinden keinen Unterschied zwischen der Fahrt mit und ohne Motorstörung feststellen.

Gesamtinfraschallbelastung durch die Autofahrten

Das Gesamtinfraschallniveau (summierte Terzpegel - vgl. Infraschall-"Belastung" in Harsdorf) beträgt für die Hinfahrt 103.3dB (Messgerät 1) bzw. 103.4dB (Messgerät 2) - für die Rückfahrt 104.9dB bzw. 105.0dB. Hochgerechnet auf einen Tag ergibt sich eine durchschnittliche Infraschallbelastung von 95.3dB für den Freitag und 96.4dB für den Sonntag. Dabei wurde die Zeit ohne Autofahrt einfach mit 0dB angesetzt. Das ist sicherlich zu niedrig, macht jedoch keinen nennenswerten Unterschied.

In 300m Abstand ist das Harsdorfer Windrad für eine durchschnittliche Infraschallbelastung von 56.3dB verantwortlich (vgl. Infraschall-"Belastung" in Harsdorf). Allein die Rückfahrt (3,5h) hat uns somit genauso viel Infraschallenergie ausgesetzt wie 10000 Tage (über 27 Jahre!) Aufenthalt im 300m Abstand zum Harsdorfer Windrad.

Fazit

Von Windkraftgegnern werden gerne die Forschungsergebnisse von Prof. Vahl als Beleg für die Gefährlichkeit von Infraschall angeführt (vgl. ZDF planet e: Infraschall - Unerhörter Lärm). In seinen Versuchen an isolierten Herzmuskelzellen hat Prof. Vahl bei Schalldrücken über 100dB Effekte festgestellt. In einem Poster (ohne Peer-Review) wird ein Infraschallgrenzwert von 80dB diskutiert. Für Windenergieanlagen wäre dieser Grenzwert unproblematisch - für die Autohersteller jedoch eine Katastrophe. Bereits mit 5 Minuten Autobahnfahrt bei moderater Geschwindigkeit liegt die Infraschall-Tagesbelastung bei 80.4 dB.

Für alle, die Angst vor Infraschall haben, empfehle ich, ein Elektroauto zu fahren oder den Turbo an ihrem Diesel zu deaktivieren. Damit sind schon 10-12 Minuten Autofahrt am Tag drin, ohne den Grenzwert von 80dB zu reißen. Für alle anderen würde ich einfach auf die Statistik verweisen. Trotz der Vielzahl an Autofahrten gibt es keinen statistischen Hinweis, dass es durch diese hohen Infraschalldrücke zu irgendwelchen Schädigungen kommt. Das gibt auch, wenn man im Auto einschläft (als Beifahrer!). Daher möchte ich hier auch explizit die Autoindustrie vom Vorwurf freisprechen, sie würde durch ihr Bestreben, mehr Leistung aus ihren Motoren zu holen, wissentlich eine Gesundheitsgefährdung ihrer Kunden durch erhöhte Infraschallimmissionen in Kauf nehmen.

 

Ergänzung 25.08.2020

Nachdem dieser kleine Versuch doch mehr Aufmerksamkeit erregt hat, habe ich die Seite um zwei Grafiken ergänzt:

Die erste Grafik zeigt die zwei Frequenzspektren von der Rückfahrt (mit und ohne Motorstörung) im direkten Vergleich zu dem Windradsignal vom 30.05.2020 10.00-14.00 Uhr in 300m Abstand zum Windrad. In dieser Zeit betrug die Windradleistung zwischen 200-1300kW, im Durchschnitt ca. 500kW. 

PKW vs. Windrad

Abbildung 7: Frequenzspektrum der Rückfahrt mit und ohne Motorstörung im Vergleich zu Infraschallsignalen vom Harsdorfer Windrad in 300m Abstand (30.05.2020 10.00-14.00, Durchschnittliche Windradleistung im Messzeitraum: 500kW). Die Messungen erfolgten mit einer Messfrequenz von 42,6666Hz. Die y-Achsenbeschriftung "Lautstärke" wurde als allgemeinverständlicher Begriff gewählt. Wissenschaftlich korrekt wäre "Schalldruckpegel". Die Pegel wurden über ein gleitendes Fenster mit 50% Überlappung und mit RMS-Mittelung berechnet. Die Pegelbandbreite beträgt 0,05Hz.

Man erkennt, dass selbst mit natürlichem Hintergrund die Windradsignale weit unter den Infraschalldrücken im PKW liegen. Das gilt über den ganzen Infraschallbereich.

Zum besseren Verständnis, was dies für das Drucksignal bedeutet, wird in der nächsten Abbildung ein 12s Ausschnitt aus der Diesel Normalbetriebkurve im Vergleich zum Drucksignal in der Nähe des Windrads dargestellt:

Drucksignal - PKW vs. Windrad

Abbildung 8: Ausschnitt aus dem Drucksignal des Differenzdrucksensors. Schwarz: Während PKW-Fahrt im PKW - Grün: 300m Abstand zum Windrad bei durchschnittlicher Windradleistung von 500kW.

Verglichen mit den Druckschwankungen im PKW ist das Drucksignal in der Nähe eines Windrads so gut wie konstant. Millionen Menschen setzen sich täglich in PKWs derartigen Druckschwankungen aus, ohne dass dies irgendwelche mir bekannten statistischen Auffälligkeiten (z.B. erhöhte Herzschädigungen) liefern würde. Noch weniger vorstellbar ist es, dass das schwache Windradsignal irgendeinen physischen Effekt hat. 

 

Ergänzung 26.08.2020

BR24 hat den Versuch einem Faktencheck unterzogen. Dazu ein paar Anmerkungen.

Abschnitt "Sind die von Holzheu gemessenen Werte realistisch?":

  1. Die genannten 95 bzw. 96dB sind bereits die Hochrechnungen auf 24h (3.5h Autofahrt - 20.5h Ruhe). Der Gesamtpegel (Summierte Terzpegel 1-20Hz) betrug für die Fahrten allein sogar 103 bzw. 105dB (siehe oben).
  2. Der erste Vergleichszahl 75-95dB ist aus Tabelle 2.1 des LUBW-Berichts (Quelle). Sie gibt die Spanne der Terzpegelwerte von 25-80Hz an. Es handelt sich somit nicht um Infraschall und kann damit auch nicht als Vergleich herangezogen werden.
  3. Die zweite Zahl 88-94dB ist aus Tablle 5.4 des LUBW-Berichts. Dies ist ebenfalls eine Spanne der Terzpegelwerte. In diesem Fall jedoch tatsächlich für den Infraschallbereich (3.2Hz-20Hz). Die Terzpegel können nicht direkt mit dem von mir angegebenen Gesamtpegel verglichen werden. Um den Vergleich zu ermöglichen, habe ich in der folgenden Grafik die Terzpegel der Hin- und Rückfahrt dargestellt. Zur Einordnung ist zusätzlich die Wahrnehmungsschwelle aufgetragen.

Terzpegel

Abbildung 9: Errechnete Terzpegel für Hin- und Rückfahrt. Die Terzpegel wurden durch Zusammenfassung von Schmalbandpegel mit einer Pegelbandbreite von 0,01Hz berechnet.

Die Terzpegel liegen für die Hinfahrt in einem Bereich von 87-94dB und die Rückfahrt zwischen 88-96dB. Damit passen die gemessenen Werte hervorragend zu den Messergebnissen der LUBW in einem PKW bei 130km/h und geschlossenen Fenstern (88-94dB).

Abschnitt "Fazit":

Der im Fazit mir zugeschriebene Satz:

Er unterstreicht ebenfalls, dass die gemessenen Infraschall-Werte im Wagen unter der schädigenden Grenze von 80 dB liegen.

passt nicht zu meinen Ausführungen und wurde von mir sicherlich nicht so geäußert ;-). Tatsächlich liegen schon alle Terzpegel über 80dB, der Gesamtpegel sowieso. Trotzdem bin ich überzeugt, dass die Infraschallpegel im PKW unbedenklich sind. Eine Grenze von 80dB ohne genaue Angabe eines Frequenzbereichs halte ich für ziemlich sinnlos.

Wer genaueres zu den Fragen des BR und meinen Antworten wissen will, kann hier meine E-Mail vom 24.08.2020 - 15:27, sowie die eine Ergänzungs-Mail vom 24.08.2020, 21:18 abrufen.

 

 

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