Wenn Windkraftgegner über Infraschall von Windrädern reden, fallen oft Begriffe wie Frequenzspitzen und Impulsartigkeit. Gerade für Laien hören sich diese Begriffe gefährlich an. Immer wieder wird behauptet, Infraschall ließe sich nur ganz schwer messen oder man müsste dazu einen Abstand größer der Wellenlänge einhalten. Den Behörden wird vorgeworfen, den Infraschall der Windenergieanlagen gar nicht zu messen oder ihn "wegzumitteln". Auch auf der Webseite des ZDF-Films planet e. "Infraschall - Unerhörter Lärm" steht:
Durch Mittelungen (Terzband-Analysen) werden sogenannte "tonale Spitzen" weitgehend wegglättet, das heißt, dass bestimmte hohe Ausschläge im Ergebnis nicht sichtbar sind.
Tatsächlich steckt hinter solchen Aussagen viel Un- oder Halbwissen. Im Grunde ist der Infraschall eines Windrads ein gut verstandenes physikalisches Phänomen. Infraschall ist wie Schall generell eine Variabilität des Luftdrucks im Zeitverlauf. Diese Variabilität lässt sich selbstverständlich messen und es spielt auch keine Rolle, wie weit man von der Schallquelle weg ist. Zur Messung kann man Mikrobarometer oder Messmikrofone mit entsprechendem Frequenzgang verwenden.
Als Frequenzspitzen werden Peaks in der Frequenzdarstellung eines (Infra-)Schallsignals bezeichnet. Dabei gibt es mehrere Faktoren, die die Höhe der Peaks beeinflussen:
Über eine lange Messzeit lässt sich auch ein schwaches frequenzkonstantes Signal im Frequenzspektrum detektieren. Für die folgenden Ausführungen greife ich auf Windraddaten von der Seite Infraschall-"Belastung" in Harsdorf zurück. Zunächst betrachten wir einen 10 Minuten Zeitraum von 00:30-00:40 Uhr. Das Windrad produzierte zu dieser Zeit ca. 400kW. In den Tallagen war es fast windstill. Durch eine konstante Strömung auf Nabenhöhe war die Umdrehungsgeschwindigkeit des Windrads außergewöhnlich konstant. Die folgende Grafik zeigt Frequenzspektren für diesen Zeitraum in drei unterschiedlichen Entfernungen vom Windrad. Zusätzlich zum hochauflösenden (0,01Hz) Powerspektrum sind die Terzpegel dargestellt.
Abbildung 1: Frequenzspektrum von Infraschallsignalen am Harsdorfer Windrad vom 30.05.2020 00:30-00:40. Die y-Achsenbeschriftung "Lautstärke" wurde als allgemeinverständlicher Begriff gewählt. Wissenschaftlich korrekt wäre "Schalldruckpegel". Die Pegel wurden über ein gleitendes Fenster mit 50% Überlappung und mit RMS-Mittelung berechnet. Die Pegelbandbreite im Schmalbandspektrum beträgt 0,01Hz. Die scharfen Peaks bei 8,75 und 9,23Hz sind nicht vom Windrad sondern von der Harsdorfer Mälzerei.
Man erkennt, dass sich unter diesen ruhigen nächtlichen Bedingungen selbst in fast 3km Entfernung das Windradsignal messtechnisch detektieren lässt. Physikalisch beruht diese Detektierbarkeit auf einer Signalmittelung über 10 Minuten. Menschliche Wahrnehmungsprozesse laufen jedoch im Sekundenmaßstab ab. Die messtechnische Detektierbarkeit in Form von Frequenzspitzen ist im Bezug auf eine menschliche Wahrnehmung kein gutes Kriterium.
Eine notwendige (aber nicht hinreichende - siehe weiter unten) Voraussetzung für die Wahrnehmbarkeit muss sein, dass das Windrad das Drucksignal im Sekundenmaßstab deutlich verändert. Dazu betrachten wir einen 10 Sekundenausschnitt des Drucksignals an allen drei Standorten:
Abbildung 2: Ausschnitt aus dem primären Drucksignal des Sensors vom 30.05.2020. Der Sensor ist ein Differenzdrucksensor und zeichnet nur Durckänderungen in einem bestimmten Frequenzbereich auf.
Wirklich deutlich zu erkennen ist das Windrad nur in 300m Entfernung. Man erkennt impulsartige Druckschwankungen von ca. 0.05Pa Amplitude. Dies sind die Drucksignale des Flügeldurchgangs. In der Frequenzdarstellung erscheinen diese Impulse als verschiedene harmonische Frequenzspitzen. Die verschiedenen Harmonischen sind somit keine wirklichen Einzeltöne/Einzelschwingungen, sondern einfach die Frequenzdarstellung dieses Druckimpulses des Flügeldurchgangs.
Auf keinen Fall darf der Begriff "Impulsartigkeit" mit dem Begriff "Impulshaltigkeit" verwechselt werden. Unter Impulshaltigkeit versteht man Schallemissionen mit periodischen oder nicht periodischen starken Änderungen des Schallemissionspegels. Da bei Schallmessungen gemittelt wird (hier stimmt der Begriff), gibt es für die Impulshaltigkeit einen Zuschlag. Das Infraschallsignal eines Windrads ist jedoch nicht impulshaltig! Die Infraschall-Lautstärke ist sehr konstant. Anders verhält es sich mit dem hörbaren Schall einer WEA. Dieser ist hat eine gewisse Variablilität des Schallemissionspegels. Die Änderungen sind jedoch noch nicht so starkt, dass sie als impulshaltig eingestuft. Grundsätzlich muss für jede Windenergieanlage ein Schallgutachten erstellt werden, das sicher stellt, dass Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden. Auch der Begriff "tonale Spitzen" ist sehr irreführend. Laien setzen "tonale Spitzen" oft mit Lautstärkespitzen (==Impulshaltigkeit) gleich.
Ob das Infraschallsignal des Windrads im Sekundenmaßstab in der Druckzeitreihe detektierbar ist, hängt stark davon ab, welche anderen Signale vorhanden sind. Ein gutes Kriterium hierfür sind die über die Einzelfrequenzen aufsummierten Terzpegel (vgl Umwandlung von der Zeit- in die Frequenzdomäne). Im 300m Abstand sind die höchsten Terzpegel im Bereich der Windrad-Harmonischen. Deshalb dominiert das Windradsignal auch das Drucksignal. In 2700m Abstand überragen die Terzpegel 13, 16 und 20Hz die Windrad-Terzpegel deutlich. Entsprechend ist das Windradsignal nicht in der Zeitreihe zu erkennen. Statt dessen erkennt man ein höherfrequentes Signal. Am Ende des Zeitausschnitts der 2700m Reihe nimmt die Amplitude deutlich zu. Das entspricht einer Zunahme der Lautstärke. Ursache dürften einzelne Fahrzeuge auf der 100m entfernten Autobahn A70 sein.
Die zuvor gezeigte Nacht war geprägt durch einen sehr konstanten Windradlauf. Am folgenden Tag frischte der Wind auf und es wurde windig bis in die Tallagen. Der böige Wind führte zu deutlich variableren Drehzahlen. In der Frequenzdarstellung zeigt sich dies in breiteren Peaks. Die folgenden zwei Grafiken zeigen wieder die Frequenzspektren sowie einen Ausschnitt aus dem Drucksignal.
Abbildung 3: Frequenzspektrum von Infraschallsignalen am Harsdorfer Windrad vom 30.05.2020 11:10-11:20. Die y-Achsenbeschriftung "Lautstärke" wurde als allgemeinverständlicher Begriff gewählt. Wissenschaftlich korrekt wäre "Schalldruckpegel". Die Pegel wurden über ein gleitendes Fenster mit 50% Überlappung und mit RMS-Mittelung berechnet. Die Pegelbandbreite im Schmalbandspektrum beträgt 0,01Hz.
Abbildung 4: Ausschnitt aus dem primären Drucksignal des Sensors vom 30.05.2020. Der Sensor ist ein Differenzdrucksensor und zeichnet nur Durckänderungen in einem bestimmten Frequenzbereich auf. Im Vergleich zu Abbildung 2 umfasst die y-Achse den doppelten Druckbereich.
Man erkennt bei 300 und 1000m Abstand breite Peaks. Die Windradleistung betrug im Zeitraum 11:10-11:20 ca. 800kW. Obwohl die Peaks niedriger sind, ist der Druckpuls in 300m Entfernung höher als in der Nacht (Skalierung beachten!). In 2700m Entfernung sind im Frequenzspektrum keine Peaks mehr zu erkennen. Das Drucksignal wird dominiert von anderen Signalen (Autobahn, Wind). Am besten kann man dies wieder an den Terzpegeln ablesen. Bei 300m sind die höchsten Terzpegel im Bereich der Windradsignale. Bei 2700m ist der höchste Terzpegel bei 16Hz.
Das Beispiel soll klar machen, dass Frequenzspitzen in hochaufgelösten Frequenzdiagrammen für die Wahrnehmbarkeit des Schalls kein gutes Kriterium sind. Wesentlich sinnvoller für dessen Bewertung ist die Betrachtung von Terzbändern, wie es die LUBW macht. Dieses angemessene Vorgehen wird von Windkraftgegnern oft kritisiert.
Wie ausgeführt, halte ich es für absolut ausgeschlossen, dass ein Mensch in der Lage sein soll, Infraschall von Windrädern wahrzunehmen, wenn das Signal im Sekundenmaßstab nicht im Drucksignal zu erkennen ist. Abstandsforderungen von mehreren Kilometern aufgrund von Infraschallbelastung sind in meinen Augen physikalischer Unsinn. Ähnliches sollte auch für die Detektion von transienten Signalen gelten, was der Fokus der BGR-Messungen ist. Sobald die Amplitude des Windrad-Drucksignals deutlich unter dem Umgebungsrauschen liegt, sollte dies die Messung eines transienten Signals wenig beeinträchtigen.
Selbst wenn die Windradimpulse im Drucksignal zu erkennen sind, ist eine Wahrnehmbarkeit sehr fragwürdig. Der Grund liegt in der extrem niedrigen Amplitude. Selbst im 300m Abstand bei 800kW Windradleistung werden nur 0.15Pa erreicht. Dies entspricht dem Luftdruckunterschied von etwas mehr als einem Zentimeter Höhendifferenz. Eine Kniebeuge (50cm) führt zu einem Druckimpuls von ca. +/-3Pa. Auch im Auto (vgl. Infraschall im Auto) oder im Haus sind wir deutlich größeren Druckpulsen ausgesetzt.
Die nächste Grafik zeigt das Drucksignal in unserer Küche beim Öffenen und Schließen von verschiedenen Türen:
Abbildung 5: Vergleich des Drucksignals des Sensors in 300m Abstand vom Harsdorfer Windrad (30.05.2020, 00:30-00:32) mit einer Messung in der Küche beim Schließen und Öffnen von verschiedenen Türen im Haus. Der Sensor ist ein Differenzdrucksensor und zeichnet nur Durckänderungen in einem bestimmten Frequenzbereich auf.
Das Windradsignal (300m Abstand, Nacht) ist im Vergleich zu den Drucksignalen von Türen eine "konstante" Linie. Die Impulse der Türbewegungen durchlaufen das ganze Gebäude. Trotzdem scheinen wir völlig unsensibel für diese "starken" Druckimpulse. Es hat fast etwas Unheimliches, wenn man sich eine Live-Messung anschaut, dann das leise Quietschen einer Türe hört und im gleichen Moment der Druckverlauf starke Ausschläge zeigt, ohne dass man dabei das geringste wahrnimmt.
Alle wissenschaftlichen Arbeiten kommen bisher zum Ergebnis, dass Infraschall nur dann eine neuronale Antwort (bewusste oder unbewusste Wahrnehmung) beim Menschen auslöst, wenn der Schalldruck über oder knapp unter der Wahrnehmungsschwelle liegt. Die Infraschallsignale von Windrädern sind um Größenordnungen unter der Wahrnehmungsschwelle. Selbst wenn das Windrad das Drucksignal dominiert, scheint eine Wahrnehmbarkeit aufgrund der sehr geringen Druckamplituden ausgeschlossen. Menschen leben seit Jahrtausenden mit Druckschwankungen im Pascal-Bereich. Es gibt keine Hinweise, dass dies in irgendeiner Form gesundheitsgefährdend wäre.
Von Windkraftgegnern herangezogene Vergleiche des Infraschalls von Windenergieanlagen mit Asbest, Röntgen- oder radioaktiver Strahlung halte ich für völlig unseriös. Physikalisch ist Infraschall nichts anderes als eine Luftdruckschwankung im Frequenzbereich von unter 20Hz.
08.08.2024 Artikel in VGBE Energy: Infraschall von Windenergieanlagen – Viel Lärm um nichts |