AEFIS steht für "Ärzte für Immissionsschutz". Hinter diesem hochtrabenden Namen steckt im Grunde eine kleine Gruppe Mediziner, von denen vor allem Dr. Thomas Carl Stiller öffentlich in Erscheinung tritt. Die AEFIS ist ähnlich wie die DSGS e.V. "spezialisiert" auf das Thema Infraschall. Nach ihrer Darstellung geht es gegen jede Form von technischem Infraschall. Faktisch wird jedoch vor allem die Windenergie bekämpft.
Im Netz findet man zahlreiche Schreiben und Vorträge. Ich möchte mich beispielhaft für die Aussagen des Vereins auf einen Vortrag von Dr. Stiller aus dem Jahr 2017 beziehen. Der Vortag war ursprünglich mal hier verlinkt (abgerufen 11.12.2020 - lokale Kopie liegt vor). Inzwischen ist der Vortrag gelöscht. Laut Anwaltsschreiben sei diese Veröffentlichung ohne Absprache und Genehmigung frei zugänglich ins Internet gelangt. Ein YouTube-Video (abgerufen 19.05.2021) eines Vortrags von Dr. Stiller mit sehr ähnlichen Folien findet sich auf dem Kanal der DSGS Der Kanal-Inhaber Dr. Kaula ist inzwischen als Mitglied der AEFIS geführt und sitzt im Video in der ersten Reihe neben Dr. Stiller. Alle im folgenden abgebildeten und diskutierten Folien sind auch 1:1 im YouTube-Video zu sehen. Entsprechende Screenshots und eine lokale Videokopie liegen vor. Der Screenshot mit die Startfolie und Dr. Stiller im Vordergrund wird als Beleg hier veröffentlicht.
Folien des Vortrags sind auch in anderen Dokumenten von Windkraftgegnerseiten (abgerufen 19.05.2021) zu finden. Weitere Veröffentlichungen von Vortragsfolien von Dr. Stiller z.B. können bei vernunftkraft.de, schleswig-holstein.de oder docplayer.org abgerufen werden (alle abgerufen 26.05.2021).
Der Vortrag mit dem Titel "Medizinische Aspekte des Windkraftausbaus" soll zunächst den Eindruck einer neutralen, unabhängigen Betrachtung vermitteln:
Die zweite Folie bemüht das Grundgesetz: Das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Insbesondere der Zusatz in Klammern mit Ausrufezeichen "Das gilt auch für Menschen in der Nachbarschaft von Windkraftanalgen!" ist polemisch und unwissenschaftlich. Der Vortragende suggeriert hier, dass diese Recht durch Windkraftanlagen erheblich verletzt sei.
Mit diesen beiden Folien ist das Framing gesetzt: "Ein unabhängiger idealistischer Mediziner kämpft für die körperliche Unversehrtheit der Menschen". Die Aussagen, die Dr. Stiller im YouTube-Video an verschiedenen Stellen einfließen lässt, unterstreichen diese Einschätzung.
Ab Folie 3 geht es dann gegen die Windenergie. Dabei wird alles herangezogen, was irgendwie gegen die Windenergie verwendet werden kann: Eisschlag, Brände, optische Bedrängung, soziale Spaltung, Blinklichter. Hier zwei Beispiele:
Richtig zum Thema kommt der Vortrag ab Folie 12:
Die Folie soll die Problematik zeigen. Dabei werden munter unhaltbare, physikalisch völlig absurde Behauptungen aufgestellt, wie z.B. "Windabhängig werde oft Geräusche in einiger Entfernung lauter als direkt am Windrad wahrgenommen" oder "Infraschall im Haus: Spürbar als Vibration oder Druckwechsel". Leider weiß ich aus eigener Erfahrung, dass solle Behauptungen trotzdem sehr schnell von Windkraft-kritischen Menschen als unumstößliche Fakten aufgenommen werden.
Folie 13 geht auf natürlichen Infraschall ein:
In der Tat ist "Infraschall nicht gleich Infraschall". Aber viel entscheidender als die Periodizität ist Frequenz und Schalldruck (vgl. z.B. ZDF planet e: Infraschall - Unerhörter Lärm). Auf beides gehen keine der Vortragsfolien angemessen ein.
Während man sich an natürlichen Infraschall gewöhnen könne, wäre dies unmöglich für technischen Infraschall (Folie 14). Diese Behauptung ist - wie fast alles im Vortrag - ohne wissenschaftlichen Beleg. Es gibt sehr viele technische Infraschallquellen. So gibt es z.B. an meinem Wohnort eine Mälzerei, die sehr konstant 24/7 zwei über mehrere Kilometer detektierbare Infraschallsignale emittiert (vgl. Infraschall-"Belastung" in Harsdorf). Die Mälzerei produziert schon viele Jahrzehnte am Ort. Noch nie war Infraschall ein Thema. Der Grund ist ganz einfach: Der Mensch hat gar keine Rezeptoren für Infraschallsignale unter der Wahrnehmungsschwelle - egal, ob frequenzkonstant oder mit variabler Periode.
Der gesamte Aufbau der Folie ist darauf angelegt zu suggerieren, dass es sich um gewaltige Druckpulse handle. Die Druckpulse sind genauso hoch wie die Windenergieanlage, breiten sich ungedämpft aus und überragen die Häuser deutlich. Physikalisch ist diese Darstellung völliger Unsinn.
Ab Folie 15 wird die Gefahr von Windkraftanlagen-Infraschall offensiv beschworen.
Es wird über vibroakustische Reizfrequenzen, Früh- und verzögerte Spätreaktionen, Eigenschwingung von Organen und Nervensystem fabuliert. Auch wenn alles bei genauer Betrachtung ziemlich frei erfundene Behauptungen sind, verfolgt diese Folie mit ihren "Fachbegriffen" das Ziel, beim nichtwissenschaftlichen Zuhörer den Eindruck zu erwecken, dass der Vortragende ein ausgewiesener Infraschall-Experte ist.
Den negativen Höhepunkt im Vortrag bildet Folie 17:
Dort wird schwacher Infraschall von Windenergieanlagen auf eine Stufe mit radioaktiver Strahlung, Kohlenmonoxid und harter UV-Strahlung gestellt. Während für die letztgenannten klare physikalische Wirkmechanismen bekannt sind, gibt es für eine Schädigung durch schwache Infraschallsignale von Windenergieanlagen nicht mal eine vernünftige Wirkhypothese.
Auf Folie 19 wird behauptet Schwangere, dürften gemäß Mutterschutzgesetz nicht in der Nähe von Infraschallquellen arbeiten. Im Mutterschutzgesetz steht jedoch kein Wort zu Infraschall, sondern es erwähnt nur Erschütterungen, Vibrationen und Lärm. Wenn Infraschall so stark ist, dass wahrnehmbare Erschütterungen und Vibrationen auftreten, sind extreme Schalldrücke im Spiel, die nichts mit den schwachen Druckänderungen zu tun haben, die an Windenergieanlagen auftreten (vgl. Physik des Infraschalls eines Windrad).
Nach einigen Folien mit schematischen Kopf- und Ohrskizzen kommt die erste wissenschaftliche Arbeit. Es handelt sich um die Arbeit von Prof. Susanne Kühn, die auch im ZDF planet e: Infraschall - Unerhörter Lärm thematisiert wurde. Wie ausgeführt waren sowohl Frequenz als auch Schalldruck deutlich oberhalb der Werte, die an Windenergieanlagen auftreten. Prof. Kühn diskutiert ihre Arbeit gar nicht im Zusammenhang mit der Windenergie.
Ein weiterer Hammer ist Folie 26:
Hier sind angeblich bleibende Schäden durch Infraschall abgebildet. Dass in diesem Experiment mit Laborratten Infraschalldrücke von 140dB eingesetzt wurden, während Windenergieanlagen kaum über 60dB kommen, wird verschwiegen. Ein Leistungsunterschied vom Faktor 100.000.000 ist wohl für die Ärzte von AEFIS nicht relevant.
Nach einigen weiteren Folien aus dem Rattenexperiment geht es ab Folie 31 wieder darum, die Angst der Zuhörer zu verstärken.
Folie 33 greift den Klassiker der Windenergie auf, dass man selbst im eigenen Haus nicht mehr sicher vor diesem gefährlichen Infraschall sei. Es sei sogar noch schlimmer, da der Infraschall in Gebäuden verstärkt würde:
Meines Wissens gibt es keine einzige Infraschallmessung, die diese Behauptung belegt. Infraschall ist eine langsame Druckänderung. Es ist völliger Quatsch zu behaupten, eine geschlossene Gebäudehülle könnte diese nicht abhalten. Das belegen auch alle Messungen (vgl. Infraschall im Gebäude - 350m vom Windrad)
Folien 35-41 sollen das Ausmaß des Problems thematisieren:
Die berühmten 10-30 Prozent haben es schon in den Beitrag des ZDF planet e: Infraschall - Unerhörter Lärm und einige andere Sendungen des öffentlich rechtlichen Rundfunks geschafft. Dabei ist diese Zahl ohne wissenschaftliche Grundlage. Auch die immer wiederholte Behauptung der besonderen biologischen, genetischen Prädisposition/Empfindlichkeit konnte bisher in keiner Studie belegt werden.
Nach 43 Folien mit abenteuerlichen Behauptungen zur Wirkung von Infraschall von Windenergieanlagen kommt auf Folie 44 die erste Messung zu Infraschalldrücken an Windenergieanlagen (ohne Quelle und Abstand):
Die Messung wird nur benutzt, um auf die angeblich verschleiernde Wirkung der A-Bewertung einzugehen. Auch Folie 46 thematisiert dies:
Der große Fehler auf dieser Folie ist jedoch, dass die Folie suggeriert, als ob der komplette Infraschall allein durch die Windenergieanlage verursacht wäre. Tatsächlich kann schon der Wind alleine im 1Hz-Bereich Schalldrücke bis 90dB verursachen (vgl. Infraschall in den Alpen). Die dargestellte Messung zeigt auch keine ausgeprägten Frequenzspitzen sondern lediglich einen relativ breiten Peak bei ca. 2Hz. Der Großteil des Signals dürfte somit vom Wind verursacht sein (vgl. Infraschall-"Belastung" in Harsdorf). Der AEFIS ist diese Tatsache jedoch egal.
Folie 47 wiederholt die falsche Behauptung der BGR, dass über die Breitbandanalyse die Frequenz-Spitzen weggeglättet würden:
Akustische Terzanalysen sind keine Glättung oder Mittlung sondern eine Summierung. Die rote Linie müsste oberhalb der blauen sein (vgl. Diskussionsseite BGR-Studie).
Völlig absurd ist die Forderung in Folie 48:
Eine Messung bis 0 Hz ist physikalisch nicht möglich. Ob der AEFIS überhaupt bewusst ist, dass der Wechsel zwischen einem Hoch- und Tiefdruckgebiet Druckänderungen von über 1000 Pa (>150dB) mit sich bringt? Dieser Folie zeigt endgültig, dass der Vortragende die Gesetze der Schallphysik nicht versteht.
Trotz dieses katastrophalen Unwissens maßt sich die AEFIS in der Abschlussfolie an, den Behörden das "Richtig messen" anzutragen:
In meinen Augen, ist dieser Vortrag eines Arztes unwürdig. Wie vieles beim Thema Infraschall und Windenergie ist auch dieser Vortrag eine Ansammlung von unbelegten und nachweislich falschen Behauptungen: Keine einzige eigene Messung, kein Doppelblindversuch, völlige Missachtung von Schalldruck und Frequenz! Die Vergleiche und Bilder zielen allein darauf, bei den Menschen Ängste zu schüren. Solche Vorträge sind perfide. Menschen ohne wissenschaftlichen Hintergrund können die Aussagen nicht bewerten. Die Vertreter von AEFIS missbrauchen den Vertrauensvorschuss, den sie als Ärzte automatisch genießen. Leider können Ängste sehr viel Negatives beim Menschen auslösen. Wer nachts die Ohren spitzt und versucht, nicht wahrnehmbare Geräusche von Windenergieanlagen zu hören, wird am Ende auch welche wahrnehmen. Zusammen mit der Überzeugung, dass diese nicht hörbaren Geräusche ähnlich wie radioaktive Strahlung zu schweren organischen Schäden führen, wird er kein Auge mehr zumachen. Das kann schnell ein selbstverstärkender Teufelskreis werden.
Dr. Stefan Holzheu, letzte Änderung 27.05.2021 15:30 Uhr.
----------------------------------------------
Änderungsverlauf:
13.12.2020 16:00 Uhr
- Veröffentlichung der ersten Version
19.05.2021 13:00 Uhr
- Aufgrund eines Anwaltschreibens im Auftrag von Dr. med. Thomas Carl Stiller habe ich einige Passagen allgemeiner formuliert.
19.05.2021 19:00 Uhr
- Einfügen von Links zu weiteren Dokumenten/Videos mit identischen Aussagen
21.05.2021 14:00 Uhr
- Erweiterung des einleitenden Kommentars um §51 UrhG
- Einfügen des Screenshots vom YouTube-Video mit der 1. Folie
26.05.2021 17:00 Uhr
- Verlinkung weiterer Vortragsquellen
- Kleine Veränderungen in manchen Absätzen
27.05.2021 15:30 Uhr
- Ergänzung des YouTube-Kanal-Inhabers
- Erweiterung der Diskussion von Folie 2.
08.08.2024 Artikel in VGBE Energy: Infraschall von Windenergieanlagen – Viel Lärm um nichts |