Hinweis: Diese Seite gibt die Meinung des Autors Dr. Stefan Holzheu wieder. Es ist kein offizieller Standpunkt des BayCEER oder der Universität Bayreuth.

Antworten der BGR auf Fragenkatalog über BMWi-Bürgerdialog

Als Reaktion auf meinen längeren Twitter-Tweet und einigen Folgediskussionen wurde ich vom BMWi-Bürgerdialog aufgefordert, eine schriftliche Anfrage an das BMWi zu stellen. Die Anfrage habe ich am 06.01.2021 per e-Mail verschickt. Eigentlich hatte ich erwartet, dass die BGR aufgrund der öffentlichen Diskussion die offensichtlichen Fehler endlich einräumt. Es ist ja keine Schande, einen Fehler zu machen. Doch die Antwort der der Pressestelle der BGR vom 12.01.2021 hat mich eines Besseren belehrt.

Vor Formulierung der Fragen hat mir der BMWi-Bürgerdialog zugesagt, dass ich meine Fragen und die Antworten veröffentlichen darf. Im Folgenden finden Sie die Fragen, die Antworten der BGR sowie meine Anmerkungen.

 

1. Im ZDF-Beitrag planet e. "Infraschall - unerhörter Lärm (2018)" wirft der BGR Mitarbeiter Dr. Lars Ceranna den Landesämtern (insb. LUBW) indirekt das "Wegmitteln von Infraschallspitzen" vor. Hat die BGR vor Tätigung dieser Aussage den Dialog mit der LUBW gesucht?

Der Vorwurf ist nicht zutreffend. In dem ZDF-Beitrag hat die BGR darauf hingewiesen, wie die Unterschiede in den Darstellungen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) und der BGR bezüglich der besagten Messergebnisse zustande kommen. Die BGR stand sowohl vor als auch nach der Ausstrahlung des besagten ZDF-Beitrags im Jahr 2018 mit den zuständigen Stellen der LUBW in einem fachlichen Austausch; darüber hinaus auch auf nationaler Ebene mit anderen Landeseinrichtungen, Ressortforschungseinrichtungen und Hochschulinstituten, die sich ebenfalls mit der Thematik befassen.

Nach meiner Kenntnis (telefonische Mitteilung der LUBW) gab es lediglich einen Austausch zwischen der LUBW und der BGR bezüglich der Formulierung einer FAQ Antwort. Ein Vorabaustausch zum Film erfolgte nicht.

Inzwischen findet man im Internet auch die Stellungnahme der LUBW zum ZDF-Film. Die Stellungnahme wurde ursprünglich nur unter den Fachbehörden zirkuliert. In dieser Stellungnahme wehrt sich die LUBW eindeutig gegen den Vorwurf des "Wegmittelns". Nach einem Vorabaustausch sieht dies nicht aus.

2. Der Vorwurf des "Wegmittelns" ist fachlich nicht haltbar. Die von der LUBW verwendete Terzpegelberechnung ist eine Summierung und keine Mittelung. Wurde vor dem plante e.-Bericht das Auswerteverfahren der LUBW genau studiert?

Es ist nie von „Wegmitteln“ seitens der BGR die Rede gewesen, sondern - wie in der Antwort auf Frage 1 dargestellt - von einer vergleichbaren Darstellung des Sachverhalts: Die spektralen Spitzen, die bei Messung von Infraschallsignalen einer Windenergieanlage (WEA) registriert werden, treten bei genau definierten Frequenzen auf, wie es in der Antwort zu Frage 4 noch weiter ausgeführt wird. Die spektralen Breiten der Spitzen der Infraschallsignatur einer WEA sind extrem schmal und können in ihren Amplituden prägnant gegenüber dem Hintergrundrauschen sein. Sofern diese Spitzen aus Gründen der Berechnung breiter sind, sind auch die zugehörigen Amplituden weniger stark ausgeprägt, da nach dem Prinzip der Energieerhaltung der spektrale Gehalt eines jeden Peaks unabhängig von der Art seiner Berechnung konstant sein muss. Dies bedeutet anschaulich, dass der Flächeninhalt solcher Peaks - bestimmt durch die Breite des Frequenzintervalls und die Höhe der Amplituden - für jede Art der Darstellung gleich ist.

Ich zitiere Dr. Ceranna aus dem ZDF-Beitrag: "Man sieht hier ganz klar, dass die Spitzen weggemittelt werden." (vgl. ZDF planet e: Infraschall - Unerhörter Lärm). Dieser Satz ist auch in der LUBW-Stellungnahme so dokumentiert. Die Aussage ist immer noch im Internet abrufbar. Bei diesen Tatsachen zu behaupten, "es ist nie von „Wegmitteln“ seitens der BGR die Rede gewesen", ist nicht haltbar.

Grundsätzlich entnehme ich der ausweichenden Antwort, dass das Auswerteverfahren der LUBW von Seiten der BGR nicht studiert wurde. Die Ausführungen im ZDF-Flim legen dies ebenfalls nahe. Dr. Ceranna spricht im Film von "Bandbetrachtungen", präsentiert später jedoch verschiedene PSD-Kurven mit unterschiedlicher Fensterlänge. Unter Bandbetrachtungen in der Akustik versteht man in der Regel Terz- oder Oktavbänder.

3. Die LUBW und andere Institutionen haben bei ihren Messungen Infraschalldrücke von ca. 60dB festgestellt. Die BGR hat in ähnlicher Entfernung bei kleinerem Windrad über 90dB angegeben. Wie erklären Sie den Leistungsunterschied von Faktor 1000?

Die BGR hat im Jahre 2004 Infraschallmessungen an einem einzelnen Windrad nördlich von Hannover durchgeführt, ausgewertet und in einem detaillierten Bericht im Jahr 2005 auf ihren Webseiten (Der unhörbare Lärm von Windkraftanlagen – (bund.de)) der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt sowie in den darauf folgenden Jahren auf nationalen und internationalen Fachtagungen präsentiert. Kernpunkt der Studie ist die Auswertung der Messungen an dieser einzelnen Windenergieanlage (WEA) über einen Zeitraum von mehr als vier Wochen. Dabei erlaubt die lange Messreihe eine eindeutige und statistisch relevante Zuordnung der Infraschallsignatur der WEA in den Aufzeichnungen. Die spektralen Betrachtungen dieser Infraschallsignatur wurden zudem mit einem mathematischen-physikalischen Modell, das bei der NASA in den 1970’er und 1980’er Jahren entwickelt wurde, verglichen und bestätigt die von der BGR gemessenen spektralen Schalldrücke. Die BGR war weder an den Messungen noch an den Auswertungen des Auftragnehmers der LUBW beteiligt. Daher kann sie Ihnen keine Erklärung dafür liefern, wie der Unterschied des Faktors 32 in den mittleren Druckamplituden zustande kommt (60 dB gegenüber 90 dB, dabei entsprechen 6 dB etwa einer Verdoppelung der Amplitude, somit sind 30 dB fünf Verdoppelungen entsprechend 2^5 =32).

Immerhin erkennt die BGR an, dass 60 dB und 90 dB einen Unterschied darstellen. Der Faktor 32, von dem die BGR hier spricht, bezieht sich auf den Schalldruck. Ich hatte explizit "Schallleistung" geschrieben, da dies für viele Betrachtungen die üblichere Größe ist. Die Schallleistung und der Schalldruck stehen in einer quadratischen Abhängigkeit. 32*32 ergibt in etwa den von mir genannten Faktor 1000. Nach einem großen "fachlichen Austausch" mit der LUBW (vgl. Antwort 1+2) hört sich die Antwort 3 nicht mehr an. Jeder vernünftige Wissenschaftler vergleicht eigene Messergebnisse mit Ergebnissen anderer Wissenschaftler spätestens dann, wenn man von verscheidenen Stellen auf große Unterscheide in den Ergebnissen aufmerksam gemacht wird. Die BGR hält dies nicht für notwendig.

4. Ein 90dB re. 20 μPa SPL-Signal ist ein Sinus mit 0,89 Pa Amplitude. Das Bandpass gefilterte Primärsignal zeigt jedoch nur Ausschläge von 0,08 Pa. Die Summe der Einzelsignale muss das Primärsignal ergeben. Wie soll dies möglich sein, wenn ein Einzelsignal bereits mehr als die 10- fache Amplitude des Gesamtsignals aufweist?

Windenergieanlagen (WEA) generieren Infraschallsignale, sobald ein Flügel den Turm passiert. Es handelt sich dabei um ein impulsförmiges Signal, vergleichbar einer sehr schlanken Glockenkurve, mit der zeitlichen Breite der Dauer des Flügeldurchgangs am Turm. Diese Impulssignale wiederholen sich in regelmäßigen Abständen, da eine WEA im Idealfall bei genügend starken Winden mit einer nahezu konstanten Umdrehungsgeschwindigkeit operiert. Somit beschreibt der Kehrwert der Differenzzeit zwischen dem Passieren zweier Flügel die Grundharmonische einer WEA; im englischen treffenderweise blade passing harmonic – Harmonische des Flügelpassierens – genannt. Die spektrale Betrachtung einer längeren Registrierung von mindestens mehreren Minuten liefert nun Spitzen bei den sogenannten Flügelharmonischen, den Frequenzen, die ganzzahlige Vielfache der Grundharmonischen der WEA sind. Die dominanteste Flügelharmonische ist die zweite, sie kann am ehesten noch in größeren Entfernungen zu einer WEA nachgewiesen werden; hingegen nimmt die spektrale Amplitude zu höheren Harmonischen stark ab. Die im Spektrum nachgewiesenen Harmonischen sind folglich nicht geeignet, um als Überlagerung einzelner Sinusschwingungen das Impulssignal des Flügelpassierens am Turm zu rekonstruieren. Die spektralen Amplituden sind vielmehr das Ergebnis der stetigen Wiederholung des kurzzeitigen Impulssignals; ein Phänomen, das an vielen Stellen in der akustischen Literatur beschrieben wird.

Mit dem letzten Teil dieser Antwort verlässt die BGR endgültig die allgemein akzeptierten Grundladen der Physik. Die spektrale Signalanalyse beruht gerade darauf, dass ein Signal als Summe von Sinus und Cosinus-Signalen dargestellt wird. Dass das für WEA nicht gelten soll, ist hochgradiger Unsinn oder "alternative Physik".

Ich habe diese Frage selbstverständlich schon mit vielen anderen Wissenschaftlern diskutiert. Auch in meinen Twitter-Post war dies Thema. Kein einziger hat bisher die Sicht der BGR gestützt.

Auch die "nahezu konstanten Umdrehungsgeschwindigkeit" ist für modene Windräder nur noch eingeschränkt richtig. Moderne Windräder arbeiten alle mit variabler Drehzahl, um auf kurzfristige Windänderungen dynamisch reagieren zu können (vgl. Messkampagne Windrad Harsdorf 05/2020).

5. Für die Hochrechnung der Schalldrücke auf größere Windräder wurde die Vestas V47 mit 200kW angesetzt. Tatsächlich arbeitet die Vestas V47 bei 26rpm mit einem 660kW Generator. Warum wurde die falsche Leistung verwendet?

Es wurde für die Auswertung der BGR-Messkampagne im Jahr 2004 eine Leistung von 200 kW verwendet, da dies der maximalen Leistung der betrachteten WEA entspricht. Diese Informationen wurden der BGR damals seitens der Betreiber zur Verfügung gestellt. Ferner wird darauf hingewiesen, dass das mathematisch-physikalische Modell der NASA zur Abschätzung des erzeugten (Infra-) Schalldruckpegels bei den Flügelharmonischen einer WEA neben der maximalen Leistung auch von der Turmhöhe, der Anzahl der Flügel, dem Flügelradius und der Umdrehungszahl abhängt. Eine Beschreibung findet sich hierzu in einer abschließenden Peer-Review-Publikation der BGR (https://doi.org/10.1016/j.jsv.2016.10.027), einem detaillierten Bericht auf den Webseiten der BGR in deutscher Sprache aus dem Jahr 2005 (Der unhörbare Lärm von Windkraftanlagen – (bund.de)) sowie im Handbuch für Windenergie (https://doi.org/10.1002/9781119992714).

Der erste Satz der Antwort macht mich sprachlos. Es gibt keine Vestas V47 mit maximal 200kW. Ein Blick ins Datenblatt (Vestas V47, Vestas V47 de) hätte gereicht, um zu erkennen, dass eine Vestas V47 bei 26rpm mit einem 660kW Generator arbeitet. Bei 20rpm ist der 200kW Generator aktiv. Das Umschalten zwischen den Generatoren und Rotationszahlen kann man sogar in den BGR-Daten sehr gut erkennen.

Überhaupt stellt sich die Frage, warum die BGR ein Modell aufstellt, um die Infraschalldrücke von größeren Windenergieanlagen und Windparks zu berechnen, aber das Modell dann nicht validiert? Inzwischen gibt es Windenergieanlagen mit 5MW und auch große Windparks.

6. Die Diskrepanz der Schalldruckpegel wird auf Windwahn.com genutzt, um Zweifel an der Rechtschaffenheit der Landesämter (insb. LUBW) zu schüren. Ich habe die BGR mehrmals auf derartige Publikationen auf Windwahn.com hingewiesen. Hat die BGR versucht, die Diskrepanz ihrerseits aufzuklären?

Grundsätzlich ist die BGR nicht dafür verantwortlich, wie Dritte die Ergebnisse der BGR zu Infraschallemissionen von WEA verwenden. Insbesondere hat die BGR stets betont, dass ihre diesbezüglichen Untersuchungen nicht darauf ausgelegt waren, den Einfluss von Infraschall auf den Menschen zu beschreiben. Im engen Austausch mit anderen Institutionen, wie der Internationalen Kernwaffenteststopp-Organisation (CTBTO) mit Sitz bei den Vereinten Nationen in Wien sowie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, wurde bestätigt, dass die Bestimmung des Schalldruckpegels, wie ihn die BGR publiziert, korrekt sind. Die Berechnung erfolgt dabei über die Bestimmung der spektralen Leistungsdichtefunktion. Diese Methode ist unter anderem in einer Peer-Review-Publikation mit BGR-Koautorenschaft beschrieben (https://doi.org/10.1007/s00024-012-0573-6); zudem finden sich in der Literatur zahlreiche vergleichbare Arbeiten der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft, die sich mit Infraschall befassen.

Diese "zahlreichen vergleichbaren Arbeiten" sind mir nicht bekannt. Vielleicht kann die BGR diese nachreichen? Ich habe auf meiner Diskussionsseite BGR-Studie mehrere Quellen aufgeführt, die alle deutlich niedrigere Schalldrücke angeben.

Die angeführte Methoden-Publikation beinhaltet den Begriff Schalldruckpegel (SPL) nicht einmal. Es ist ziemlich gewagt, dies als Beleg für die Korrektheit von SPL-Berechnungen aufzuführen. In der Publikation wird die PSD beschrieben. Die PSD ist die spektrale Leistungsdichte. Die Einheit ist dB re Pa²/Hz. SPL wird in dB re Pa angegeben. Die PSD wird nicht zum SPL, indem man einfach SPL an die Achsen schreibt.

Im Grunde ist dies der Kern des Problems. Die BGR arbeit immer mit der PSD. In der PSD führt die Verkleinerung des Fensters tatsächlich zu einer Mittelung. SPL wird dagegen mit Powerspektren berechnet (vgl. PSD vs. PS). Auf diesen Unterschied habe ich die BGR bereits vor einigen Monaten hingewiesen. Trotzdem scheint sich die BGR bis heute zu weigern, diesen Unterschied anzuerkennen.

Völlig inakzeptabel finde ich, wie sich die BGR aus der Verantwortung stiehlt. Wenn unterschiedliche Messergebnisse dazu führen, dass die Rechtschaffenheit anderer staatlicher Institutionen in Zweifel gezogen wird, erwarte ich von einer staatlichen Institution wie der BGR, dass sie sich aktiv um die Klärung der Diskrepanz bemüht.

7. Plant die BGR (nach Klärung des Sachverhalts), sich öffentlich bei der LUBW für die Aussage im ZDF-Beitrag zu entschuldigen?

Wie vorstehend ausgeführt, stehen die Ergebnisse der BGR der Öffentlichkeit seit mehr als 15 Jahren zur Verfügung, sie wurden zudem einem Peer Review unterzogen und in international anerkannten Fachjournalen publiziert. Außerdem wurden die Berechnungen der Schalldruckpegel mit den frei verfügbaren Messdaten der BGR von national und international renommierten Institutionen bestätigt. Die BGR ist unverändert offen für den fachlich-wissenschaftlichen Diskurs; dies gilt natürlich auch für die LUBW.

Na ja, das war nach den Antworten auf die ersten sechs Fragen zu erwarten.

Fazit

Für mich sind die Antworten der BGR eine große Enttäuschung. Das nimmt langsam "Trumpsche" Züge an.

  • Es wird behauptet, das vermessene Windrad (Vestas 47) habe eine Maximalleistung 200kW obwohl im Datenblatt 660kW steht
  • Es wird behauptet, es sei nie von Wegmitteln die Rede gewesen, doch der BGR Mitarbeiter sagt für jedermann eindeutig zu hören: "Man sieht hier ganz klar, dass .. weggemittelt werden"
  • Es wird behauptet, man stand mit der LUBW im fachlichen Austausch, doch man kann nicht sagen, warum die LUBW tausendfach niedrigere Werte misst.
  • Es wird behauptet, man könne das Zeitsignal nicht als Summe von Sinus- und Cosinussignalen darstellen obwohl dies genau das Grundprinzip der Frequenzanalyse ist.

Die BGR erkennt lediglich an, dass 90dB (SPL-Wert BGR) und 60dB (typischer SPL-Wert aller anderen Institutionen) einen Unterschied darstellen. Wie dieser Unterschied zu erklären ist, kann man nicht sagen, weil man nicht weiß, wie die anderen Institutionen gemessen haben. Das ist absurd und unwissenschaftlich. Man solle sich als wissenschaftliche Einrichtung dafür interessieren, weshalb andere Institutionen bei der gleichen Messgröße tausendfach niedrigere Ergebnisse erhalten!

Ich hatte und habe von vielen deutschen Ämtern und Institutionen eine sehr hohe Meinung. Doch was die BGR hier als Antworten präsentiert, ist einer seriösen staatlichen Institution eines demokratischen Staates nicht würdig.

 

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