Hinweis: Diese Seite gibt die Meinung des Autors Dr. Stefan Holzheu wieder. Es ist kein offizieller Standpunkt des BayCEER oder der Universität Bayreuth.

Auswertung der BGR-Daten durch die PTB

Seit längerem ist es klar, dass die hohen Schalldruckpegel der BGR durch einen Rechenfehler bedingt sind. Trotzdem behauptet die BGR noch im Januar 2021 öffentlich :

Im engen Austausch mit anderen Institutionen, ... sowie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, wurde bestätigt, dass die Bestimmung des Schalldruckpegels, wie ihn die BGR publiziert, korrekt sind.

(vgl. Antwort der BGR auf Fragenkatalog über BMWi-Bürgerdialog).

Aufgrund dieser Aussage hatte ich Ende Januar 2021 eine Anfrage an die PTB geschickt. Die PTB hat es mir gegenüber abgelehnt, sich öffentlich zu diesem Sachverhalt zu äußern. Erst auf weitere Nachfragen von Prof. Hundhausen (Physiker, FAU Erlangen-Nürnberg) hat die PTB jetzt eine Auswertung der BGR-Daten auf ihre Homepage gestellt.

Um es vorweg zu nehmen: Die Auswertung der PTB kommt auch zum Ergebnis, dass die Schalldrück der BGR falsch berechnet sind. Leider hat die PTB - im Gegensatz zu Baumgart et al. (vgl. Discussionpaper für JSV) oder mir (vgl. Der Rechenfehler der BGR: Nachrechnen mit Originaldaten) - nicht versucht, die Spektren der BGR 1:1 nachzuberechnen. Das ist schade. Für Wissenschaftler, die sich nicht tätglich mit Schallphysik beschäftigen, ist es so deutlich schwerer, die Berechnungen der PTB einzuordnen.

Ich werde deshalb ein paar erläuternde Bemerkungen zur PTB Auswertung vornehmen. Um die Sache zu vereinfachen, beziehe ich mich nur auf die Ausführungen der PTB zur 26rpm-Linie der BGR (blaues Spektrum).

BGR Frequenzspektrum: Abbildung 3

BGR Abbildung 3: Frequenzspektrum aus "Der unhörbare Lärm von Windkraftanlagen – Infraschallmessungen an einem Windrad nördlich von Hannover"

 

1. Gesamtschallpegel (LeqFFT, LeqT, LZ,eqT)

In der Tabelle über Abbildung 9 gibt die PTB die errechneten Gesamtschallpegel an. Es ist nicht klar, warum die PTB diese Gesamtschallpegel berechnet hat. Die Gesamtschallpegel werden überwiegend durch sehr niedrige Frequenzen dominiert und bilden im wesentlichen das natürliche Windrauschen ab. Die Höhe hängt maßgeblich vom Hochpassverhalten des Messsystems ab. Für die Bewertung von Infraschall von Windenergieanlagen sind jedoch nur Frequenzen ab der Flügeldurchgangsfrequenz relevant.

Für die blaue Linie des BGR-Spektrums errechnet die PTB einen Gesamtschallpegel von knapp 100dB re 20µPa. Die BGR hat gar keinen Gesamtschallpegel veröffentlicht. Man kann jedoch den Gesamtschallpegel aus einem SPL-Spektrum abschätzen. Dazu muss man lediglich die energetische Summe der Einzelpegel bilden. Die Anzahl der Einzelpegel (==Punkte) wurde von der BGR zwar nicht angegeben, aufgrund eigener Auswertungen vermute ich eine Fensterlänge von 8192 Punkten. Da schon die Einzelpegel im Bereich <0,1Hz über 120dB sind, muss der Gesamtschallpegel der blauen Linie weit über 120dB liegen. Somit kann man bereits aus dem Gesamtpegel ableiten, dass die SPL-Werte der BGR nicht zur Auswertung der PTB passen.

2. Spektrum

In Abbildung 8 zeigt die PTB die spektrale Leistungsdichte (PSD) des 26rpm-Drucksignals. Die PTB hat dazu die Länge des Hanning-Fensters auf die kompletten 30 Minuten ausgedehnt. Die PSD hat die Einheit "Pa²/Hz". Der Schalldruckpegel (SPL) hat die Einheit "Pa". Zur Umrechnung von PSD in SPL muss man daher mit der Bin-Breite multiplizieren. Mehr dazu unter PSD vs. PS

Die Binbreite des PSD-Spektrums der PTB beträgt 5,55*10-4Hz. Um SPL-Werte zu erhalten muss man das Spektrum der PTB um 32,5dB nach unten schieben. Die Peaks der 2. BH (2,6Hz) erreichen dann nicht mal 50dB. Das wäre somit noch tiefer als ich oder Baumbart et al. in unseren Spektren angeben. Die Diskrepanz ist in der niedrigen Binbreite der PTB begründet. Da das Windradsignal nicht zu 100% frequenzkonstant ist, verteilt sich das Signal bei der hohen Auflösung auf mehrere Bins. Generell ist eine derart hohe Frequenzauflösung zur Bewertung von BPH-Signalen mit nicht 100% konstanter Frequenz eher ungeeignet.

3. Terzspektren

Am interessantesten ist die Information in Abbildung 9. In dieser Abbildung ist das Terzbandspektrum berechnet. 

Terzband - PTB

PTB: Abbildung 9 - Terzbandspektrum, ermittelt in einem Zeitraum von 30 s mit Beginn nach 150 s für Messung HUF3_200407101240

Ein Terzband ist die energetische Summe der einzelnen Schmalbandpegel. Betrachtet man das Terzspektrum der PTB, fällt die Erhöhung der Terzbänder 1,25, 2,5 und 4 Hz auf. In diese Bänder fallen die 1., 2. und 3. BPH-Harmonischen des Windradsignals (1,3, 2,6 und 3,9Hz). Das 2,5 Terzband, das die 2.BPH enthält, kommt dabei auf gerade mal 60dB. Im Spektrum der BGR erreicht die 2. BPH jedoch 90dB. Wäre das Spektrum der BGR korrekt, müsste die PTB im entsprechenden Terzband deutlich über 90dB ausweisen. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Damit bestätigt die PTB ganz klar, dass die von der BGR berechneten Schalldruckpegel nicht richtig sind.

Für alle, denen der Zusammenhang zwischen Schmalbandspektren (Spektrum der BGR - siehe oben) und Terzbandspektren (PTB) nicht geläufig ist, folgt hier die Grafik der FAQ1 der LUBW zum Messbericht Infraschall:

LUBW-Grafik Schmalbandspektren, Terz- und Oktavespektren

Zusammenhang zwischen Schmalband, Terz- und Oktavspektrum (aus der FAQ1 der LUBW zum Messbericht Infraschall)

Da Terzpegel die energetische Summe aller in den Bereich fallenden Schmalbandpegel darstellen, müssen Terzpegel immer oberhalb des größten Schmalbandpegels liegen. Sehr deutlich wird der Fehler, wenn man die von der PTB ermittelten Terzpegel über die Grafik der BGR plottet:

BGR Spektrum mit Terzpegel der PTBSpektrum der BGR mit Terzpegeln der PTB. Die 0 und 20 rpm-Linien wurden grafisch ausgeblendet.

Wie ausgeführt müssten die Terzpegel die blaue Linie komplett umschließen. Dies ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Die Werte der BGR sind viel zu hoch.

Vergleicht man dagegen das Powerspektrum von Baumgart et al. mit den Terzpegeln der PTB, passen die Terzpegel zu den Schmalbandpegeln.

Spektrum von Baumbart et al. mit Terzpegeln der PTBSpektrum von Baumgart et al. mit Terzpegeln der PTB. Die 0 und 20 rpm Linien wurden grafisch ausgeblendet

Dass es im Bereich der Frequenzen unter 1Hz zu Abweichungen kommt, ist nicht verwunderlich. Das Terzspektrum der PTB wurde für einen 30 Sekundenausschnitt der Datenreihe berechnet. Das Spektrum von Baumgart et al. stellt jedoch die kompletten 30 Minuten dar.

Neben den Schmalbandpegeln haben Baumgart et al. auch Terzpegel berechnet. Der Vergleich ist in der nächsten Grafik:

Terzpegel von Baumgart et al. im Vergleich zu den Terzpegeln berechnet durch die PTB

Terzpegel von Baumgart et al. mit Terzpegeln der PTB. Die 0 und 20 rpm Linien wurden grafisch ausgeblendet

Auch hier ist die Übereinstimmung - insbesondere im für das Windrad relevanten Bereich der BPH-Frequenzen - sehr gut. Abweichungen im niedrigen und hohen Frequenzbereich sind nicht überraschend, da Baumgart et al. wie schon bei den Schmalbandpegeln den kompletten 30 Minutenabschnitt zur Berechnung der Terzpegel genutzt haben, während die PTB nur einen 30 Sekunden Ausschnitt verwendet. Ein Teil der Abweichung könnte auch durch das manuelle Ablesen der Terzpegelwerte aus der PTB-Grafik bedingt sein.

Diskussion

Ziemlich seltsam wirkt die Diskussion der Auswertung durch die PTB. Statt die Diskrepanz zu den BGR-Berechnungen klar herauszustreichen wird behauptet:

Es fällt auf, dass die Schallfeldwerte größer ausfallen als in anderen vergleichbaren Arbeiten, siehe z. B. (Ratzel et al. 2014)...

Ratzel et al. 2014 sind die Messungen der LUBW. Zum Vergleich ein Terzbandspektrum aus dieser Arbeit:

LUBW Terzband

Abbildung 4.2-4 aus dem LUBW Bericht

Man erkennt, dass die Terzbandpegel der LUBW im relevanten Bereich (1-5Hz) hier deutlich über den Pegeln der PTB liegen. Wie die PTB darauf kommt, dass dies umgekehrt sei, muss sie genauer erklären.

Dass die Pegel der LUBW hier vergleichsweise hoch (70dB) ausfallen, liegt vor allem am Hintergrund. Wie im Bild rechts zu sehen, werden auch bei ausgeschalteter Windenergeieanlage ähnliche Pegel erreicht.

Fazit

Es ist schön, dass die PTB eine Auswertung der BGR-Messungen öffentlich gestellt hat. Trotzdem muss sich die PTB die Frage gefallen lassen, warum sie den Fehler der BGR, der ja offensichtlich ist, nicht klar benennt. Unklar ist auch, weshalb die PTB kein SPL-Spektrum mit vergleichbarer Binbreite berechnet.

Sehr befremdlich ist die Diskussion. Es ist nicht nachvollziehbar, was die PTB mit "höheren Schallfeldwerten" meint. Der Vergleich der Terzpegel mit Werten der LUBW liefert auf alle Fälle ein ganz anderes Bild.

Trotzdem kann die BGR nach dieser Auswertung der PTB unter keinen Umständen mehr behaupten, dass die PTB die Richtigkeit der Schalldruckpegel, wie sie die BGR publiziert, bestätigt. Die Terzpegel der PTB (errechnet mit den gleichen Rohdaten), sind mindestens 30dB niedriger als die Werte der BGR. Damit bestätigt die PTB die Rechnung von mir, Baumgart et al. und vieler weiterer Wissenschaftler.

 

 

 

 

 

Diese Webseite verwendet Cookies. weitere Informationen