Infraschall in den Alpen

Ende August 2020 verbrachten wir eine Woche auf der Trauneralm in der Nähe des Großglockners. Die letzte Augustwoche war geprägt von Tiefdruckgebieten, die Sturm und Regen brachten. Besonders intensiv war der Wind in der Nacht vom 29. auf den 30. August. Die folgende Grafik zeigt das Spektrogramm dieser Nacht. Die Messung erfolgte im Haus bei geschlossenen Fenstern und Türen.

Spektrogramm Sturmnacht in den AlpenAbbildung 1: Spektrogramm der stürmischen Nacht auf der Trauneralm 29./30.08.2020. Die Messung erfolge im Haus bei geschlossenen Fenstern und Türen.

Die Phasen mit kräftigem Wind zeichnen sich in den hell leuchtenden Linien ab. Man erkennt, dass sich Zeiten mit weitgehender Ruhe und Sturm abwechseln.

Ruhige Phase 01:20-01:50 Uhr

Die folgende Grafik zeigt das Frequenzspektrum sowie das Drucksignal der ruhigen Nachtphase. Zum Vergleich wurde eine Messung vom Harsdorfer Windrad in 300m Entfernung geplottet. Die Windraddaten sind vom 30.05.2020 00:30-00:40 Uhr (vgl. Infraschall-"Belastung" in Harsdorf). Zum Messzeitpunkt erzeugte das Windrad knapp 500kW.

Frequenzspektrum und Drucksignal der ruhigen Nachtphase im Vergleich zu einem Windradsignal

Abbildung 2: Links: Frequenzspektrum von Infraschallsignalen in der ruhigen Nachtphase im Vergleich zu Infraschallsignalen in 300m Abstand vom Harsdorfer Windrad vom 30.05.2020 00:30-00:40. Die y-Achsenbeschriftung "Lautstärke" wurde als allgemeinverständlicher Begriff gewählt. Wissenschaftlich korrekt wäre "Schalldruckpegel". Die Pegel wurden über ein gleitendes Fenster mit 50% Überlappung und mit RMS-Mittelung berechnet. Rechts: Vergleich eines 5s-Ausschnitts aus dem primären Drucksignal des Differenzdurcksensors.

Man erkennt, dass sich die Frequenzspektren deutlich unterscheiden. Die Frequenzspitzen des Windrads überragen in der Schmalbanddarstellung die Schalldrücke der ruhigen Nachtphase. Die Basislinie liegt jedoch bis ca. 12Hz unterhalb des entsprechenden Infraschallniveaus in den Alpen. Grund für die Erhöhung sind Wasserfälle und Gebirgsbäche und wahrscheinlich Schwingungen in den Holzwänden des Gebäudes. Oberhalb von 12Hz liegt der Schalldruck in Harsdorf über dem Schalldruck in den Alpen. Das liegt jedoch nicht am Windrad sondern an der Autobahn. An der Trauneralm ist die einzige Straße in der näheren Umgebung die Großglockner Hochalpenstraße. Diese wird nachts nicht befahren.

Auch wenn die Frequenzspektren sehr unterschiedlich ausschauen, sind die Druckvariationen selbst in der ruhigen Nachtphase in der gleichen Größenordnung wie die Druckvariationen am Harsdorfer Windrad in 300m Entfernung. Es ist schwer vorstellbar, dass vom einem Durcksignal eine große Gefahr ausgehen soll, während das andere ganz natürlich und völlig ungefährlich ist.

Sturm 02:50-03:30 Uhr

Interessant werden Frequenzspektrum und Drucksignal, wenn man die stürmische Nachtphase betrachtet:

Frequenzspektrum und Drucksignal der Sturmphase im Vergleich zu einem Windradsignal

Abbildung 3: Links: Frequenzspektrum von Infraschallsignalen in der stürmischen Nachtphase im Vergleich zu Infraschallsignalen in 300m Abstand vom Harsdorfer Windrad vom 30.05.2020 00:30-00:40. Die y-Achsenbeschriftung "Lautstärke" wurde als allgemeinverständlicher Begriff gewählt. Wissenschaftlich korrekt wäre "Schalldruckpegel". Die Pegel wurden über ein gleitendes Fenster mit 50% Überlappung und mit RMS-Mittelung berechnet. Rechts: Vergleich eines 5s-Ausschnitts aus dem primären Drucksignal des Differenzdurcksensors.

Während der stürmischen Nachtphase liegen die Infraschallpegel in den Alpen über alle Frequenzen deutlich oberhalb der höchsten Werte am Harsdorfer Windrad. Was dies für das Drucksignal bedeutet, sieht man in der rechten Grafik. Die Druckschwankungen liegen jetzt bei +/- 6Pa. Dagegen wirkt das Drucksignal des Windrads in 300m Entfernung fast konstant.

Quantitative Betrachtung: Eine Sturmnacht == Fünf Jahre Windrad in 300m

Über die Summe der Terzpegel kann man wieder die "Gesamtinfraschallbelastung" der Nacht berechnen (vgl. Infraschall im Auto). Für die Zeit von 22.00 Uhr bis 07.00 Uhr erhält man 89,2dB. Hochgerechnet auf 24h ergeben sich 84,9dB. Verglichen mit der Infraschallbelastung durch das Harsdorfer Windrad in 300m (vgl. Infraschall-"Belastung" in Harsdorf, 56,3dB) ist dies ein Leistungsunterschied von fast 2000. Die eine stürmische Nacht hat uns somit der gleichen Infraschallenergie ausgesetzt wie fünf Jahre im Abstand von 300m zum Harsdorfer Windrad.

Fazit

Sucht man bei Google nach dem Stichwort "Infraschall", landet man sofort bei der Windenergie. Man kann fast den Eindruck bekommen, Windräder seien die einzigen relevanten Infraschallquellen. Der kleine Versuch soll zeigen, dass es selbstverständlich auch weit entfernt von Windrädern und anderer menschlicher Technik Infraschall gibt. Dieser natürliche Infraschall kann die Infraschallleistung von Windrädern um Größenordnungen übertreffen.

Meine Messung "Infraschall im Auto (Turbodiesel)" wurde mehrfach dahingehend kritisiert, dass es nicht dasselbe sei, wenn man sich Infraschall im wachen Zustand und freiwillig aussetze (PKW-Fahrt) oder aber wenn man diesem zwangsweise und nachts ausgeliefert ist (Windrad). Auch der natürliche Infraschall wirkt zu jeder Tages- und Nachtzeit. Das "Schlaf-Argument" ist deshalb in diesem Zusammenhang wirkungslos. Um dem zu begegnen behaupten Windkraftgegner: "Der künstliche Infraschall der Windräder setze sich klar vom natürlichen ab. Und nur der künstliche würde vom Gehirn als Problem wahrgenommen." Einen wissenschaftlichen Beleg für diese Behauptung gibt es nicht.

Natürlich kann man messtechnisch in Frequenzspektren die Signale klar unterscheiden. Dies setzt jedoch Messzeiten von mehreren Minuten und eine ganz exakte Abtastrate voraus. Beides hat nichts mit der menschlichen Sinneswahrnehmung zu tun. Die menschliche Wahrnehmung operiert im Sekundenmaßstab und hat sicherlich keine mit Messgeräten vergleichbare Abtastrate und nachgelagerter Fouriertransformation. Die Fähigkeit des Menschen Tonhöhen und damit Frequenzen zu unterscheiden endet bei 30Hz. Entscheidend für die menschliche Wahrnehmung ist deshalb das Drucksignal. Mir erscheint es mehr als zweifelhaft, dass die schwachen Druckvariationen des Windrads neuronale Prozesse auslösen sollen. Noch unsinniger ist es, von direkten physischen Schädigungen durch Infraschall von Windrädern zu sprechen. Würde wie z.B. Vernunftkraft behauptet (vgl. Faktencheck #2: Vernunftkraft und Infraschall) der schwache Infraschall der Windräder die "Haarzellen des Corti-Organs der Hörschnecke schädigen", hätten wir die stürmische Nacht auf der Trauneralm kaum ohne Hörschaden überlebt.

 

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