Hinweis: Diese Seite gibt die Meinung des Autors Dr. Stefan Holzheu wieder. Es ist kein offizieller Standpunkt des BayCEER oder der Universität Bayreuth.

AKEN und Infraschall

AKEN und Infraschall

AKEN (Aktionskreis Energie und Naturschutz) scheint eine recht neue Vereinigung zu sein. Aufmerksam wurde ich auf AKEN, da diese am 15.08.2021 einen offenen Brief an Prognos, Agora u.a. geschickt hatten, in dem sie u.a. mit dem Infraschall-Argument die Energiewende und insbesondere die Windkraft sehr pauschal in Frage stellten. Das Papier hatte die Unterüberschrift

Offener Brief und Fragen zur Qualitätssicherung in öffentlichen Publikationen

Es ist wichtig, dass wissenschaftliche Arbeiten kritisch hinterfragt werden. Jedoch gerade bei den Ausführungen zu Infraschall kommen mir große Zweifel, ob die Autoren ihrem eigenen Anspruch an wissenschafticher Qualität gerecht werden.

Die Autoren

Unterschrieben ist der Brief von Dr. Björn Peters, Prof. Dr.-Ing. Holger Watter, Dr.-Ing. Peter Preusser und Prof. Dr.-Ing. Thomas Willner. Dr. Peters ist als Atom-Lobbyist bekannt und propagiert den Dual-Fluid-Reaktor, der bisher nur auf dem Papier existiert und dessen Realisierbarkeit stark angezweifelt wird. Außerdem ist Herr Peters einer der Erstunterzeichner von klimafragen.de, was ihn klar in die Ecke der Klimawandelleugner rückt. Von Prof. Watter und Dr. Preusser finden sich kritische Aussagen bezüglich des Ausbaus der erneuerbaren Energien, und Prof. Willner kritisiert regelmäßig die E-Mobilität und arbeitet selbst an E-Fuels.

Keiner der Autoren hat irgendwelche Arbeiten zu Infraschall vorzuweisen. Es ist anzunehmen, dass der Abschnitt zu Infraschall von anderen Autoren verfasst wurde. Naheliegend wären Dr. med. Ursula Bellut-Staeck, Dr. rer. nat. Heinz-Jürgen Friesen und Prof. Dr. rer. nat. Werner Mathys. Alle drei sind in der DSGS e.V. organisiert und haben zwei Papiere zu Infraschall unter AKEN publiziert. Zur DSGS e.V. gibt es eine eigene Seite.

Meine Ausführungen beziehen sich auf die Replik auf das Antwortschreiben Agora vom 29.08.2021.

Reichweite von WEA-Infraschall

Der Abschnitt III. Infraschall und Flächenbeanspruchung durch erneuerbare Energien beginnt zunächst mit einer pauschalen Abwertung der von Agora aufgeführten Studien. Im zweiten Abschnitt kommt der Klassiker mit der Infraschall-Reichweite.

Die wesentlichen Ergebnisse der BGR-Studie – Signale von WEA sind noch in 15 km Entfernung detektierbar – bleiben unverändert bestehen und korrespondieren mit finnischen und australischen Untersuchungen.

Diesen Punkt habe ich bereits mehrfach diskutiert (vgl. Signal vs. Hintergrund). Grundsätzlich ist bei einem sehr gleichmäßigen Lauf der WEA, langer Messzeit und niedrigem Hintergrund eine Detektion über mehrere Kilometer möglich. Doch die Detektion in schmalbandigen Spektren ist irrelevant für die Bewertung. Die BGR selbst schreibt dazu auf ihrer Webseite (Punkt 8.):

Für die Beaurteilung der Einwirkung des Infraschalls von WEA auf den Menschen sind hingegen Terzbänder geeignet und nicht Leistungsdichtespektren mit sehr feiner Auflösung im Frequenzbereich, wie sie für die Messaufgaben der BGR erforderlich sind.

Aufzählung von Stresswirkungen ohne Belege

Spannend wird es, als die Autoren die angeblichen Stresswirkungen von Infraschall aufzählen:

Die Korrektur der BGR ändert nicht weder die von WEA real emittierten Schalldruckwerte noch die grundsätzlichen Stresswirkungen von Infraschall, die auf verschiedenen Ebenen des Organismus gefunden wurden: bei Membranstrukturen und der zellulären Kommunikation, im Gleichgewichtssystem und bei Aktivierung distinkter Gehirnbereiche im Unterbewusstsein.

Die komplette Aufzählung ist ohne einzige Quellenangabe.

Wirk- und Wahrnehmungsschwelle

Ebenfalls ein Klassiker ist der Vergleich mit UV-Licht oder Röntgenstrahlen.

Die LUBW-Studie steht im krassen Widerspruch zu den oben genannten Untersuchungen. Ein zentraler Fehler ist die Vorstellung, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen mit der Hör- oder Wahrnehmungsschwelle korreliert sind. Entscheidend ist die Wirkschwelle, die deutlich darunter liegen dürfte. Zur Verdeutlichung sei auf UV-Licht oder Röntgenstrahlen hingewiesen, bei denen der Unterschied zwischen Wirk- und Wahrnehmungsschwelle sehr klar wird.

Während für UV-Licht und Röntgenstrahlen der Wirkmechanismus völlig klar ist, gibt es für Infraschall nicht mal eine sinnvolle Arbeitshypothese. Insbesondere stellt sich die Frage, weshalb schwacher Infraschall von WEA gefährlich sein soll, während um Größenordnungen stärkerer Infraschall in fahrenden PKWs oder bei starkem Wind ohne Effekt bleibt. Diesen Schwachpunkt in ihrer Argumentation versuchen die Autoren mit Hinweis auf die speziellen, nur von Windkraftanlagen produzierten Signaturen zu begegnen. Jedoch verwechseln Sie bei Argumentation Amplitudenmodulation (AM) und Infraschall.

Verwechselung von Amplitudenmodulation und Infraschall

Auch der immer wieder gerne vorgenommene Vergleich mit natürlichen oder anderen technischen Infraschallquellen (Verkehr) übersieht die eigentliche Problematik: die speziellen, nur von Windkraftanlagen produzierten Signaturen (Amplitudenmodulation), die z.B. von der australischen Arbeitsgruppe um Kristy L. Hansen von der Flinders University Bedford Park, Australien, als entscheidend herausgestellt wird: Amplitudenmodulation (AM) ist ein charakteristisches Merkmal von Windparklärm und kann zu Belästigung und Schlafstörungen beitragen

AM und Infraschall haben zwar die gleiche Frequenz sind jedoch komplett unterschiedliche Phänomene. AM könnte durchaus eine Erklärung sein, weshalb Lärm von Windenergieanlagen z.T. als lästiger eingestuft wird als z.B. Verkehrslärm. Bei dieser subjektiven Einschätzung kann auch die jahrelange systematische Desinformation zur angeblichen Gefährlichkeit von Infraschall mit beigetragen haben. Wer in dem an- und abschwellenden WEA-Geräusch "gefährlichen" Infraschall vermutet, wird das Geräusch deutlich negativer einstufen.

Dringender Forschungsbedarf?

Es ist ein bekanntes Konzept von Wissenschaftsleugnern, v.a. auf die Unsicherheiten hinzuweisen. Um den angeblichen Forschungsbedarf zu untermauern, zitieren die Autoren die TremAc-Studie. Der zitierte Absatz bezieht jedoch nicht auf die Wirkung von Infraschall sondern auf die Stressreaktion durch den hörbaren Lärm. Es gibt mittlerweile hunderte von Veröffentlichungen zu WEA, die sich mit deren Schallemission im allgemeinen sowie dem Infraschallanteil im speziellen und seiner Wirkung auf Anrainer beschäftigt haben. Dazu gehören auch die Berichte unabhängiger Experten-Kommissionen in vielen Ländern mit Auswertungen großangelegter Studien mit hunderten von Teilnehmern. Alle kommen unisono zu dem Ergebnis, dass der schwache WEA-Infraschall von den Anwohnern grundsätzlich nicht wahrgenommen wird und weder seine spektrale Zusammensetzung noch sein Pegel irgendeinen Effekt auf ihr Wohlbefinden hat. Es gibt also gar keinen dringenden Forschungsbedarf mehr - die der behaupteten Gewebeschädigung hat Prof. Vahl schon in seinen fehlgeleiteten Versuchen beantwortet, wo er im Vergleich zu typischen WEA-immissionen mit 36 dB höheren Infraschallpegel keinerlei Schwächung des Herzmuskels nachweisen konnte.

Als zweiter Beleg wird ein Zitat der Medizinjournalistin des Deutschen Ärzteblattes Lenzen-Schulte aus einem WELT-Artikel angeführt:

Für ein Land, das so stark auf Windkraft setzt, sind so geringe Forschungsanstrengungen zu den gesundheitlichen Risiken höchst blamabel.

Lenzen-Schulte ist eine der Autorinnen eines Ärzteblatt-Artikes zu Infraschall. Außer diesem Artikel hat sie keine weiteren Arbeiten zum Thema vorzuweisen. Und auch dieser Artikel weist erhebliche Schwächen auf (vgl. Ärzteblatt: Infraschall und Windenergie).

Anonyme Fachmedizinerin

Untermauern wollen die Autoren ihre Aussagen, mit einer Bewertung einer namentlich nicht genannten Fachmedizinerin. Jedoch beinhaltet deren Einschätzung gleich mehrere offensichtliche Falschaussagen:

Der von der BGR eingeräumte Fehler von 36 dB entspricht einem Faktor von ca. 4.000 oder ca. 63 (d.i. die Quadratwurzel von 4.000) im Schalldruck – je nachdem wie die Schallausbreitung betrachtet wird, räumlich und zeitlich.

Schon in dieser Aussage offenbart die Ärztin, dass sie die Schallphysik nicht verstanden hat. Der Faktor 4000 bezieht sich auf die Schallintensität (Schallleistung pro Fläche) und der Faktor 63 auf den Schalldruck. Die Unterscheidung von räumlich und zeitlich ist völlig sinnfrei. Schon interessant, dass das den Unterzeichnern des Papiers - immerhin Physiker und Ingenieure - nicht aufgefallen ist.

Auch der zweite Punkt

Insbesondere das Repowering der Anlagen lässt Immissionen überproportional ansteigen. Die Größenzunahme verschiebt das Infraschallspektrum zu tieferen Frequenzen bis 0,1 Hz, die Höhenzunahme und Lage der Anlage, sowie Interferenzen mit benachbarten Windenergieanlagen beeinflussen wesentlich die Reichweite der Immissionen.

ist wieder eine Behauptung ohne irgendeinen Beleg. Gerade die neuen Messungen der BGR zeigen, dass auch in 500 m Abstand zu einem 16x3 MW Windpark keine hohen Infraschallpegel auftreten. Die Terzpegel bewegten sich fast durchgehend unter 60 dB re 20 µPa. Der Abstand zur Wahrnehmungschwelle bei 2 Hz beträgt 60 dB, bei 10 Hz 36 dB. Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen, ist kein Mensch in der Lage, diese schwachen Infraschall-Signale bewusst oder unbewusst wahrzunehmen. Eine postulierte Schädigung von Zellen ist absurd.

Von einem heillosen Durcheinander spricht die anonyme Fachmedizinerin am Ende des Absatzes. Dabei ist das Drucheinander klar auf ihrer Seite und alle Behauptungen sind erneut ohne Beleg:

Das BGR misst entsprechend seiner ursprünglichen Aufgabenstellung bevorzugt das, was im und über den Boden ankommt. Andere messen bewusst in der Luft, z.B. 1 Meter über dem Boden. Es droht nicht, sondern es ist bereits ein heilloses Durcheinander in der Berichterstattung, die reichhaltig emotional, ideologisch und von „Ergebnissen“ durchtränkt ist, bevor noch die Sachergebnisse in wissenschaftlicher Hinsicht auch nur ordentlich aufgezählt sind!

Die BGR misst Luft-Infraschall. Wellenausbreitung im Boden gibt es auch. Diese bezeichnet man jedoch als seismische Wellen und sollten nicht mit Infraschall verwechselt werden. WEA erzeugen seismische Wellen, die hochempfindliche seismische Messstationen stören können. Aber wie das TremAc-Projekt mit Messungen belegt, sind die von WEA ausgelösten seismischen Wellen viel zu schwach, um vom Menschen wahrgenommen zu werden.

Im dritten Punkt Gesundheitlichen Auswirkungen auf verschiedenen Organebenen erfolgt ein Rundumschlag gegen alle behördlichen Untersuchen. Es wird die db(A)-Bewertung in Frage gestellt, Terzpegel als Glättung bezeichnet und über "möglicherweise interferierenden Körperschall" philosophiert. Das ist grober Unsinn und natürlich auch ohne Quellenverweis. Es wird auch kaum möglich sein, für solche Behauptungen eine wissenschaftlichen Quellen zu finden.

Unter der Zwischenüberschrift Wissenschaftliche Erarbeitung nach state oft the art findet sich dann endlich ein Beleg. Es ist - wenig überraschend - das ASU-Paper von Vahl und Roos, dessen Unzulänglichkeiten ich unter Artikel von Roos & Vahl in ASU: Ein Faktencheck analysiert habe und zu dem die ASU 11/2021 unsere kritische Anlalyse publiziert hat.

Nur WEA-Infraschall ist gefährlich

Jedem halbwegs physikbegabtem Menschen muss es nach einer halben Stunde Google Recherche klar sein, dass die Infraschallpegel der WEA lächerlich niedrig sind. Tausendfach höhere Intensitäten in PKWs oder durch starken Wind alleine scheinen keinen Effekt zu machen. Aber die Autoren wollen anscheindend trotzdem mit allen Mitteln an der Gefährlichkeit von WEA-Infraschall festhalten. Dazu lassen sie die anonyme "Fachmedizinerin" einen entscheidenden Unterschied des Infraschalls (von WEA) zu natürlichen Quellen und Quellen aus anderen technischen Quellen postulieren (natürlich ohne wissenschaftlichen Beleg):

a) die spezielle Signatur des von Windenergieanlagen ausgehenden Infraschalls;
b) die chronische Einwirkung, die Reparaturmechanismen des Menschen unterläuft.

Womit man endgültig im Bereich der Esoterik angekommen ist. Reparaturmechanismen greifen, wenn ein Zellschaden eingetreten ist. Bei Terzpegeln in der Größenordnung von 60 dBz sind Zellschäden vollig ausgeschlossen. Die Idee einer Schädigung ist absurd, wenn man bedenkt, dass bei Ultaschall-Untersuchungen mit Hunderten von Millionen mal höherer
Schallintensität gearbeitet wird - und das mit steilflankigen, gepulsten Schall, den Windkraftgegener für besonders schädigend halten. Auch die "spezielle Signatur" ist irrelevant. Oft gehen sogar die kleinen Druckpulse der WEA im Hintergrundrauschen unter (vgl. Physik des Infraschalls eines Windrads).

Zum Schluss noch die persönliche Bemerkung der Fachärztin:

Man wird noch in Jahrzehnten nicht finden, was man entweder überhaupt nicht sucht bzw. untersucht oder mit ungeeigneten Mitteln sucht, mit denen man ebenso wenig etwas finden kann. Daraus den Schluss zu ziehen, dass man so immer weiter argumentieren kann, ohne Vorsorge für die Menschen zu treffen und zu denken, man stehe nicht in der Verantwortung, alle offenen Fragen wissenschaftlich abzuklären, bevor man diesen Ausbau weiter betreiben kann, ist der eigentliche Skandal.

Nein! Der Skandal ist dieses Papier. Mit eklatanten Falschbehauptungen zu Infraschall versuchen Windkraftgegner (aus welchen Motiven auch immer), den Ausbau der Windenergie zu behindern. Dabei nehmen sie in Kauf, dass der Klimawandel - eine reale und deutlich größerer Gefahr - weiter voranschreitet.

Fazit

Man kann es nicht freundlicher ausdrücken. Es ist abenteuerlich, was die Unterzeichner hier zum Thema Infraschall und WEA zusammengeschustern ließen. Vielleicht haben sie es gar nicht einmal gelesen. Schon allein diese Abhandlung macht das Papier von Peters et al. wissenschaftlich völlig unglaubwürdig und lässt den Verdacht aufkommen, dass es den Autoren nicht um "wissenschaftliche Qualität" sondern nur um lobbygetriebene Öffentlichtkeitsarbeit ging. Es ist bedauerlich, dass auch aktive Hochschullehrer solche Papiere unterzeichnen.

Dem Vorgehen der Autoren entsprechend fordere ich die Autoren auf, bis zum 19.11.2021 schriftlich zu meinen Ausführungen Stellung zu nehmen. Insbesondere bitte ich um eine klaren wissenschaftlichen Belegt der zeigt, dass Infraschall von 0,5-5Hz und Terzpegeln von 60dB re 20µPa irgendeinen nachprüfbaren Effekt bei Menschen auslöst.

 

 

Dr. Stefan Holzheu, letzte Änderung 08.11.2021 08:00 Uhr

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Änderungsverlauf:

07.11.2021 14:00 Uhr
- Veröffentlichung der ersten Version

08.11.2021 08:00 Uhr
- Kleinere Korreturen und Ergänzungen

 

 

 

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