Swen Müller, Martin Hundhausen, Susanne Koch und ich haben zusammen einen sehr ausführlichen Kommentar in Noise&Health zum einzigen Peer-Review-Paper von Prof. Vahl veröffentlicht. Die HTML-Version des Kommentars kann hier heruntergeladen werden.
Der Kommentar beleuchtet alle Fehler des Artikels und bestätigt alle Kritikpunkte, die ich bereits auf meiner Webseite "Diskussionsseite: Studie Prof. Vahl" beleuchtet habe.
Dr. Swen Müller hat detailliert die neuen Infraschall-Messungen der BGR ausgewertet. Selbst im Worst-Case Fall bleiben die Pegel weit unter der Wahrnehmungsschwelle.
Die Arbeit wurde auf der DAGA 2022 in Stuttgart als Poster präsentiert. Das vollständige Poster kann über www.scienceopen.com heruntergeladen werden.
Susanne Koch, Stefan Holzheu, Martin Hundhausen
Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 112–118
Zusammenfassung:
Aufgrund der Diskussion über gesundheitliche Folgen von Schallemissionen und Infraschall von Windenergieanlagen, fassen wir hier im Rahmen eines narrativen Reviews die Studienlage zusammen und stellen die physikalischen Fakten vor.
Infraschall unterschiedlichster Quellen umgibt uns täglich, wobei Windenergieanlagen keine besonders hohen Emissionen verursachen.
Epidemiologische Studien zeigen keinen Zusammenhang zwischen Windenergieanlagen und der Inzidenz von Diabetes mellitus, Herzinfarkten, Schlaganfällen und Bluthochdruck, nur eine häufigere Verschreibung von Schlafmitteln war nachweisbar. Allerdings zeigen objektiv erhobene Schlafparameter keine Assoziation zu Windenergieanlagen. Gesundheitliche Klagen treten vermehrt auf, wenn Anti-Windkraft-Gruppen aktiv sind, was dafürspricht, dass psychogene Einflüsse und Nocebo-Effekte eine wichtige Rolle spielen.
Bei fehlender wissenschaftlicher Evidenz für gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Windenergieanlagen ist ein Ausbremsen des Ausbaus erneuerbarer Energien nicht zu rechtfertigen.
AKEN (Aktionskreis Energie und Naturschutz) scheint eine recht neue Vereinigung zu sein. Aufmerksam wurde ich auf AKEN, da diese am 15.08.2021 einen offenen Brief an Prognos, Agora u.a. geschickt hatten, in dem sie u.a. mit dem Infraschall-Argument die Energiewende und insbesondere die Windkraft sehr pauschal in Frage stellten. Einer wissenschafltichen Prüfung halten die Aussagen nicht stand.
Der Windpark Büchenbach/Leups besteht aus vier Vestas V112 mit 140m Nabenhöhe, 3MW Leistung und 112m Rotordurchmesser. Gemessen wurde in einem Garten eines Wohnhauses in Leups.
Die Vestas-Anlagen liefern beim Erreichen der Maximaldrehzahl sehr scharfe BPH-Signale. Eine Detektion in hochauflösender FFT ist somit deutlich einfacher. Bezogen auf den Signalgehalt gibt es jedoch keine großen Unterschiede. Ängste vor Infraschall von großen Windenergieanlagen sind völlig unbegründet.
"Wissenschaftliche Grundlagen für eine Bewertung gesundheitlicher Risiken - Infraschall aus technischen Anlagen" lautet der Titel des neuen Artikels von Prof. Werner Roos und Prof. Christian Vahl, der am 1.7.2021 in der Zeitschrift ASU (Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin) veröffentlicht wurde.
Die Zahl der Fehler im Artikel ist erschreckend. Viele Falschbehauptungen sind längst widerlegt. Mit mangelnder wissenschaftlicher Sorgfalt lässt sich dies kaum erklären.
Jahrelang hatte Vernunftkraft vor angeblich hohen Infraschallpegeln an Windenergieanlagen gewarnt. Mit der Richtigstellung der BGR entfällt für Vernunftkraft der letzte wissenschaftliche Beleg.
Eine Anfrage des taz-Journalisten Bernward Janzing traf Vernunftkraft wohl ziemlich unvorbereitet. Inzwischen versucht Vernunftkraft mit einer nachgeschobenen Stellungnahme zu retten war noch zu retten ist. Wenig überraschen ist diese Stellungnahme wenig überzeugend. Ein kleiner Faktencheck.
Viele Jahre haben Windkraftgebner die falschen, viel zu hohen Schalldruckpegel der BGR genutzt, um Stimmung gegen die Windenergie zu machen. Seit über einem Jahr versuchte ich, der BGR klar zu machen, dass diese Pegel unmöglich richtig sein können.
Noch im Januar 2021 hat die BGR diesen Rechenfehler vehement abgestritten und als Kronzeugin für die Richtigkeit ihrer Berechnungen die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) genannt. Nachfragen von Wissenschaftlern haben die PTB dazu veranlasst, eigene Berechnungen zu den BGR-Daten öffentlich zu stellen. Diese Berechnungen widersprechen den BGR-Berechnungen eindeutig. Dadurch wurde der Druck auf die BGR jetzt so groß, dass die BGR am 12.04.2021 korrigierte Berechnungen in einem sog. "Fact-Sheet" publiziert hat. Eine Analyse:
Immer wieder behaupten Windkraftgegner, Infraschall sei im Haus sogar noch größer als draußen.
Auffällig ist, dass die Windkraftgegner keine Messung als Beleg für ihre Behauptung präsentieren. Dabei wäre dies ja einfach. Ein Messgerät außen, ein Messgerät innen und die Pegel vergleichen.
Seit längerem ist es klar, dass die hohen Schalldruckpegel der BGR durch einen Rechenfehler bedingt sind. Trotzdem behauptet die BGR noch im Januar 2021 öffentlich: "Im engen Austausch mit anderen Institutionen, ... sowie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, wurde bestätigt, dass die Bestimmung des Schalldruckpegels, wie ihn die BGR publiziert, korrekt sind."
Auf Nachfragen von Prof. Hundhausen (FAU Erlangen-Nürnberg) hat die PTB jetzt eine Auswertung der BGR-Daten auf ihre Homepage gestellt.
Ergebnis: Die Schalldrücke der BGR sind viel zu hoch!
Neben AEFIS ist die DSGS e.V. der zweite Spezialverein für Infraschall unter den Anti-Windkraft-Organisationen.
Die Argumente der DSGS e.V. sind weitgehend deckungsgleich mit denen von Vernunftkraft, Windwahn und AEFIS. Auffällig ist wiederum die große Bedeutung der hohen Schalldruckpegel der BGR.
In diesem kleinen (nicht professionellen ;-) ) Video zeige ich den Aufbau und die Funktion eines Infraschall-Messgeräts. Außerdem demonstriere ich, dass Infraschall ein ständiger Begleiter ist und durch viele ganz alltägliche Quellen erzeugt wird.
Johannes Baumgart, Christoph Fritzsche, Steffen Marburg sind drei Wissenschaftler mit langjähriger Erfahrung im Bereich Akustik. Zusammen haben sie ein Discussion-Paper für das Journal of Sound and Vibrations (JSV) verfasst.
In ihrem Paper werten sie die Rohdaten der BGR mit den allgemein anerkannten Methoden der Schallphysik aus. Im Vergleich zu ihrem Power-Spektrum sind die von der BGR publizierten Werte sogar 34dB zu hoch. Außerdem weisen die Autoren darauf hin, dass die BGR das Windrad unzutreffender Weise mit 200kW statt korrekt mit 660kW angesetzt hat. Den Gesamtfehler der BGR-Modellrechnung schätzen die Autoren auf fast 40dB. In Schallleistung entspricht dies einem Faktor 10.000! Damit kommen die Autoren zum gleichen Schluss wie ich in meinen Berechnungen (vgl. Der Rechenfehler der BGR: Nachrechnen mit Originaldaten).
Der Preprint des Papers ist über den folgenden Link abzurufen:
Auf einen Twitter-Tweet mit großer Resonanz wurde ich auf die Möglichkeit einer Frag-den-Staat-Anfrage hingewiesen. Die Anfage vom 21.12.2020 zur Offenlegung der Rohdaten und Pegelberechnungen wurde von der BGR am Freitag 22.01.2021 nachmittags kurz vor Ablauf der Auskunftfrist beantwortet. Die Herausgabe der Berechnung wurde abgelehnt. Ich bekam jedoch den Hinweis, dass die Rohdaten frei verfügbar wären und auch eine Anleitung für den Zugriff.
Damit gibt es jetzt für jedermann die Möglichkeit, die Angaben der BGR selbst nachzurechnen. Ärgerlich ist, dass die BGR auf diese Möglichkeit erst nach meiner offiziellen Anfrage hinweist. Anscheinend war das Interesse der BGR bezüglich einer Überprüfung ihrer Berechnungen nicht all zu groß.
Eigentlich ist der Grundsatz "Die Dosis macht das Gift" in der Medizin ein allgemein akzeptierter Grundsatz.
Doch in ihrem Artikel zu "Infraschall und Windenergie" wirft das Ärzteblatt diesen Grundsatz über Board. Es werden verschiedene Experimente zur angeblichen Gefahr durch Infraschall angeführt. Doch die Experimente nutzen alle deutlich höhere Infraschallleistungen (bis Faktor 100.000.000) als im Nahbereich an Windenergieanlagen auftreten.
Als Reaktion auf meinen längeren Twitter-Tweet und einigen Folgediskussionen wurde ich vom BMWi-Bürgerdialog aufgefordert, eine schriftliche Anfrage an das BMWi zu stellen. Die Anfrage habe ich am 06.01.2021 per e-Mail verschickt. Eigentlich hatte ich erwartet, dass die BGR aufgrund der öffentlichen Diskussion die offensichtlichen Fehler endlich einräumt. Es ist ja keine Schande, einen Fehler zu machen. Doch die Antwort der der Pressestelle der BGR vom 12.01.2021 hat mich eines Besseren belehrt.
Infraschall gibt es immer und überall. Die größte Quelle ist der Wind. Ein "nicht professionelles" Video mit einer Live-Messung :-)
Die AEFIS (Ärzte für Immissionsschutz) stellen sich selbst als seriöse Organisation dar. Eine Analyse eines Vortrags ihres einzigen aktiven Vertreters (Dr. Stiller) zeigt jedoch ein anderes Bild.
Ohne wissenschaftliche Begründung schürt Dr. Stiller massiv Ängste vor der Windenergie. Schwacher Infraschall von Windenergieanlagen wird auf eine Stufe mit radioaktiver Strahlung, Kohlenmonoxid und harter UV-Strahlung gestellt.
Bekannt ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) für ihre großen Infraschallmessstationen, mit denen sie in einem internationalen Netzwerk die Einhaltung des Verbots oberirdischer Atomwaffentests überwacht.
Aus dieser Tätigkeit sind auch Infraschallmessungen an Windenergieanlagen hervorgegangen. Besonders im deutschsprachigen Raum und bei Windkraftgegnern haben diese Messungen und Berechnungen großes Interesse gefunden. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass die Werte der BGR 30-40dB über den Werten anderer Institutionen liegen. Dies ist alles andere als ein kleiner Fehler. In Schallleistung ausgedrückt ist dies ein Faktor 1000-10.000.
Die BGR ist eine Bundesanstalt. Als solche ist sie zu besonderer Sorgfalt bei der Veröffentlichung von Zahlen verpflichtet. Leider zeigte die BGR im bilateralen wissenschaflichen Dialog keine Bereitschaft, ihre Zahlen kritisch zu prüfen.
Windwahn.com bezeichnet sich selbst als "IIP - Internationale Informationsplattform". Doch ein kritischer wissenschaftlicher Blick zeigt, dass es auf dieser Seite nur Desinformationen gibt.
Statt Messungen und anerkannter wissenschaftlicher Methoden nutzen selbsternannte Experten Papier, Schere und Photoshop.
In sehr vielen Beiträgen zu Infraschall und Windenergie wird auf die Studie der Uniklinik Mainz Bezug genommen. Doch ist die Studie wirklich relevant für die Diskussion.
Ein Diskussionsbeitrag:
Infraschall von Windenergieanlagen ist das Kernargument, mit dem Vernunftkraft eine Gesundheitsgefährdung von Anwohnern begründet. Ich habe die Ausführungen von Vernunftkraft einem wissenschaftlichen Review unterzogen.
Ergebnis: Diese neuere Seite von Vernunftkraft ist geschickter gemacht. Trotzdem finden sich wieder eine Vielzahl von unbelegten oder falsch belegten Behauptungen.
Wie wissenschaftlich sind die Ausführungen von Vernunftkraft zum Thema Infraschall und Windenergie?
Ein Faktencheck kommt zu einem vernichtenden Urteil.
Das Umweltbundesamt hat eine neue Experimentalstudie zur Lärmwirkung von Infraschall herausgegeben: Eine sehr aufwendige und methodisch gute Studie. Leider wird in der Zusammenfassung der entscheidende Punkt bezüglich des Infraschalls der Windenergieanlagen nicht erwähnt.
Die Studie kommt zu dem erfreulichen Ergebnis, dass Infraschall über oder knapp unter der Wahrnehmungsschwelle zu keinen körperlichen Reaktionen führt. Das deckt sich mit vielen Untersuchungen und auch z.B. mit der Beobachtung, dass starke Infraschalldrücke im PKW keine schweren gesundheitlichen Auswirkungen haben (vgl. Infraschall im Auto). Die auf die Testpersonen angewendeten Infraschall-Stimuli wurden lediglich als "etwas" bis "mittelmäßig" lästig empfunden.
Unglücklich ist jedoch eine Formulierung auf S. 68. Dort schreiben die Autoren:
Durch diese Ober- und Untertöne weist der Stimulus ein ähnliches Frequenzspektrum auf wie Windenergieanlagen, deren unterstes Frequenzband in Abhängigkeit von der Rotordrehzahl ebenfalls im Bereich um 1 Hz liegt (bei n = 20 U *min-1).
Der entscheidene Unterschied wird hier nicht erwähnt. Der Schalldruck! Bei den Versuchen wurden 105dB verwendet, Windenergieanlagen kommen laut der gleichen Publikation auf 60dB in 50m Entfernung (vgl. S. 64). Von der Schallleistung ist dies ein Unterschied vom Faktor 30.000. Der verwendete Stimulus ist somit in etwa so, wie wenn man das Triebwerk eines Jumbojets beim Start mit einem Rasenmähertraktor vergleicht.
Ich denke, die UBA Studie ist trotzdem sehr wertvoll. Sie zeigt klar, dass körperliche Schäden durch Infraschall selbst bei relativ hohen Schalldrücken nicht zu erwarten sind. Außerdem sollte sich sogar eine Belästigung von Anwohnern durch Infraschall von Windenergieanlagen ausschließen lassen. Im Grunde ist der Infraschall von Windenergieanlagen fast schon "Homöopathie" gegenüber den Schalldrücken der UBA-Studie. Wissenschaftlich macht es keinen Sinn, den Ausbau der Windenergie mit dem Infraschallargument zu blockieren.
08.08.2024 Artikel in VGBE Energy: Infraschall von Windenergieanlagen – Viel Lärm um nichts |